Handyman Jack - Story-Sammlung
Farbtonmustern stehen. Jack nahm die braune Musterpalette und drehte sich zu ihm um.
»Gib mir die Hand.«
Verblüfft sah Munir, wie Jack die Farbkarten eine nach der anderen gegen seinen Handrücken hielt und sie dann wieder verwarf. Schließlich fand er doch, was er wollte.
»Bingo. Genau der richtige Farbton.«
»Wir sind hier, um Farbe zu kaufen?«
»Nein. Wir kaufen Fleisch – um genau zu sein, Fleisch in der Farbe Goldmokka 169. Also los.«
Und dann ging es schon weiter. Sie winkten Teddy zum Abschied zu und stiegen zurück ins Taxi.
Diesmal ging es zur East Side, die 1 st Avenue hoch zur 31. Straße. Jack rannte mit der Farbkarte in ein Gebäude und kam sofort wieder mit leeren Händen zurück. Er sprang wieder ins Taxi.
»Gut. Dann fahren wir jetzt in Ihr Büro.«
»Mein Büro? Warum?«
»Weil wir jetzt ein paar Stunden Zeit haben und die genauso gut damit verbringen können, dass wir uns jeden ansehen, den Sie im Laufe des letzten Jahres entlassen haben.«
Munir hielt das für verlorene Liebesmühe, aber er hatte sich in Jacks Hände begeben. Er musste ihm vertrauen. Und so erschöpft er auch war, an Schlaf war jetzt nicht zu denken.
Er gab dem Fahrer die Adresse zu seinem Büro.
»Der hier klingt vielversprechend«, meinte Jack. »Erinnern Sie sich an ihn?«
Bis zu diesem Zeitpunkt war Munir nie bewusst geworden, wie viele Leute er im Laufe eines Jahres anstellte oder entließ. Wegrationalisierte, wie man das heute nannte. Er war verblüfft.
›Richard Hollander‹ lautete der Name auf dem Aktendeckel. Mit dem Namen konnte er nichts anfangen, aber als er die Arbeitsbeurteilungen sah, fiel es ihm wieder ein.
»Nicht der. Jeder andere, aber nicht der.«
»Ach ja? Warum nicht?«
»Er war so …« Während Munir nach dem richtigen Wort suchte, versuchte er, sich an alles zu erinnern, was ihm zu Hollander einfiel, aber das war nicht viel. Der Mann hatte nur kurz in der Firma gearbeitet, und während der ganzen Zeit hatte er sich durch nichts hervorgehoben. Dann fand er das Wort, das er suchte. „… ineffektiv.«
»Ach wirklich?«
»Ja. Er kriegte nie etwas geregelt. Jeder Auftrag und jeder Bericht, mit dem er betraut wurde, kam entweder zu spät oder war unvollständig. Seine Zeugnisse waren ausgezeichnet – sehr guter Abschluss an einer renommierten Universität und solche Sachen – aber es gelang ihm einfach nicht, sein theoretisches Wissen in die Praxis umzusetzen. Deswegen wurde er dann auch freigestellt.«
»Und was passierte dann? Gebrüll, Beschimpfungen, Drohungen oder so was?«
»Nein.« Munir erinnerte sich, wie er Hollander in Kenntnis gesetzt hatte. Der Mann hatte nur genickt und begonnen, seinen Schreibtisch auszuräumen. Er hatte nicht einmal nach dem Grund gefragt. »Er wusste, dass seine Leistungen miserabel waren. Er hat die Kündigung wahrscheinlich erwartet. Außerdem hatte er keinen Südstaatenakzent. Er ist es nicht.«
Munir gab den Aktendeckel zurück, aber statt ihn wegzulegen, öffnete Jack ihn erneut und ging ihn noch einmal durch.
»Ich wäre mir da nicht so sicher. Einen Dialekt kann man nachmachen. Und wenn ich einen Mann rauspicken sollte, der aus Rachedurst den Verstand verliert, dann wäre das so jemand: unverheiratet, lebt alleine …«
»Wo steht, dass er allein lebt?«
»Das steht da nicht. Aber als Kontakt bei einem Unfall ist seine Mutter in Massachusetts angegeben. Wenn es einen Partner oder auch nur jemanden gibt, der mit ihm zusammenwohnt, dann wäre der doch angegeben, meinen Sie nicht? ›Keine ausgleichenden Einflüsse^ wie die Psychiater in so einem Fall sagen. Und dann seine bevorzugten Freizeitbeschäftigungen: Schwimmen und Joggen. Das ist der typische Einzelgänger.«
»Aber das macht ihn doch noch nicht zu einem Psychopathen. Ich schätze, Sie sind auch ein Einzelgänger, und Sie …«
Die Worte versiegten, als Munir diesen Gedanken zu Ende dachte.
Jack grinste. »Richtig, Munir. Denken Sie mal drüber nach.«
Er griff nach dem Telefon und tippte eine Nummer ein. Nach einem Moment sprach er mit tiefer, respekteinflößender Stimme: »Dies ist ein Notfall. Bitte nehmen Sie ab. Dies ist ein Notfall.« Einen Augenblick später legte er auf und schrieb etwas auf einen Notizblock. »Ich habe mir die Adresse von diesem Typen vorsorglich aufgeschrieben. Es ist fast vier Uhr nachts und Mr Hollander ist nicht zu Hause. Sein Anrufbeantworter läuft, aber selbst wenn er erst mal wartete, wer dran ist, hätte er doch auf diese
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