Handyman Jack - Story-Sammlung
Notfallnachricht reagiert, oder?«
Munir nickte. »Höchstwahrscheinlich. Aber was, wenn er da gar nicht mehr wohnt?«
»Das ist natürlich eine Möglichkeit.« Jack sah auf seine Armbanduhr. »Aber jetzt muss ich erst mal ein Paket abholen. Sie bleiben hier und warten neben dem Telefon. Ich rufe Sie an, sobald ich es habe.«
Bevor Munir noch weitersprechen konnte, war Jack bereits verschwunden und er blieb allein in seinem Büro zurück und starrte auf die Familienfotos, die auf seinem Schreibtisch aufgestellt waren. Er begann zu weinen.
Das Telefon riss Munir aus einem leichten Dämmerzustand. Verwirrt fuhr er auf. Was tat er im Büro? Er sollte zu Hause sein …
Dann fiel ihm alles wieder ein.
Jack war am Apparat. »Treffen Sie mich vor der Tür.«
Unten auf der Straße warteten zwei Gestalten auf ihn. Im Osten wurde es langsam heller. Eine der Gestalten war Jack, die andere ein magerer Mann von Munirs Größe mit schulterlangem Haar und einem Ziegenbärtchen. Jack verzichtete auf Vorstellungen. Stattdessen führte er sie um die Ecke zu einem kleinen Imbiss. Er starrte durch das offene Fenster auf die Lichter im Innern.
»Hier dürfte es hell genug sein.«
Er bestellte zwei Kaffee und zwei Cheeseburger und brachte sie zum hintersten Tisch in dem leeren Imbiss. Jack und der Fremde rutschten auf die Bank auf der einen Seite des Tisches, Munir setzte sich ihnen gegenüber. Immer noch keine Vorstellung.
»Also gut, Munir«, sagte Jack. »Leg die Hand auf den Tisch.«
Munir gehorchte und legte die linke Hand mit offener Handfläche auf den Tisch. Er fragte sich, was das wohl werden mochte.
»Dann wollen wir mal die Ware sehen«, sagte Jack zu dem Fremden.
Der magere Mann zog ein kleines längliches Päckchen aus der Tasche. Es schien in braune Papierhandtücher eingewickelt. Er wickelte das Teil aus und legte es neben Munirs Hand.
Es war ein Finger. Nicht Robbys Finger. Der hier war anders. Der eines Erwachsenen.
Munir zog seine Hand zurück auf seinen Schoß und starrte auf den Tisch.
»Na, komm schon, Munir«, sagte Jack. »Wir müssen die Farbe überprüfen.«
Vorsichtig schob Munir seine Hand wieder auf den Tisch und starrte das andere Ding verstohlen an. Es sah so echt aus.
»Er ist zu lang und die Farbe passt nur so ungefähr«, sagte Jack.
»Das ist gut genug«, sagte der Fremde. »Dafür, dass es so schnell gehen musste, ist das sogar verdammt gut.«
»Wahrscheinlich hast du recht«, sagte Jack und reichte ihm einen Umschlag. »Das war’s dann.«
Der Mann mit dem Ziegenbärtchen nahm den Umschlag, schob ihn in sein Hemd, ohne den Inhalt zu kontrollieren, und ging, ohne sich zu verabschieden.
Munir starrte auf den Finger. Das getrocknete Blut auf der Schnittfläche, die feine Zeichnung des Knöchels und des Fingernagels – selbst bis zum Dreck unter dem Fingernagel – es war unglaublich. Er sah fast echt aus.
»Das wird nicht funktionieren«, sagte er. »Egal, wie echt der auch aussieht, wenn der Kerl herausfindet, dass es eine Attrappe ist …«
»Attrappe?«, fragte Jack und rührte Zucker in seinen Kaffee. »Wer sagt, dass das eine Attrappe ist?«
Munir riss die Hand vom Tisch und wich zurück. Er wollte im Plastikbezug der Sitzbank versinken, bis er aus der anderen Seite wieder herauskam, er wollte fort von diesem Mann und dem schrecklichen Teil, das da auf dem Tisch lag. Er richtete seinen Blick auf die Bank neben sich und zwang sich dazu, ein paar Worte hervorzustoßen. Trotz des Brechreizes, der ihn zu übermannen drohte.
»Bitte … nehmen Sie … das weg.«
Er hörte das leise Rascheln von Papier, das zusammengefaltet und über den Tisch gezogen wurde, und dann Jacks Stimme.
»Okay, Sie Mimose. Sie können wieder hinsehen. Es ist weg.«
Munir hielt seinen Blick weiter abgewandt. In was war er da hineingeraten? Um seine Familie vor einem brutalen Irren zu schützen, hatte er sich in die Hände eines anderen Irren begeben. In was für einer Welt lebte er eigentlich?
Er spürte, wie sich ein Schluchzen in seiner Kehle aufbaute. Seit seiner Kindheit hatte er nicht mehr geweint. Bis letzte Woche. Aber seit Tagen konnte er die ganze Zeit nur noch weinen. Oder schreien. Oder beides.
Er sah Jacks Hand, die ihm einen Kaffee hinschob.
»Hier. Trinken Sie das. Sie brauchen eine Menge davon. Sie müssen wach bleiben.«
Eine verrückte Hoffnung regte sich in Munir.
»Meinen Sie … Meinen Sie, der Mann am Telefon könnte mit Robby das Gleiche gemacht haben? Vielleicht ist er
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