Hanibal
schloß.
Als Memnon dreieinhalb Jahre alt war, Antigonos sein fünfundzwanzigstes Jahr vollendete und der Krieg sein zweiundzwanzigstes begann, meldeten Händler und Hamilkars Vertrauensleute, daß wohlhabende Bürger Roms der Stadt Geld für den Bau einer neuen Flotte liehen, gegen das Versprechen, nach einem Sieg die Anleihe verzinst zurückzuerhalten. Der Rat von Qart Hadasht nahm die Meldungen nicht ernst – Rom war am Ende, der Krieg auf Sizilien eingeschlafen, die punische Restflotte beherrschte das Meer. Wozu also die Aufregung?
Im Herbst starb in Lilybaion Kshyqti bei der Geburt des dritten Sohns, Mago. Antigonos trauerte; Qart Hadasht träumte; Rom baute die Flotte, hob noch einmal neue Truppen aus, vernichtete die punischen Schiffe, die die Meerenge von Messana bewachten, und brachte gewaltige Verstärkungen nach Sizilien. Zu Beginn des Kriegs hatten die Römer punische Trieren nachgebaut – diesmal die beste Waffe von Qart Hadasht: Vorlage für den Flottenbau war eine verjähren erbeutete Pentere. Über zweihundert Kriegsschiffe, weit mehr als fünfhundert Lastsegler und sieben Legionen, fast vierzigtausend Mann neuer Truppen, die zu den zehn Legionen auf Sizilien hinzukamen – Hamilkar verfügte nicht einmal über ein Drittel dieser Stärke, vielleicht fünfundzwanzigtausend iberische, balliarische, illyrische, ligurische, gallische, libysche, numidische und hellenische Krieger. Dreißig Schiffe lagen im Hafen von Qart Hadasht, fünf schützten die Säulen des Melqart, weitere sechs die Seewege zwischen Libyen und Sardonien. Der Westen Siziliens war völlig ungeschützt, und der römische Konsul Gaius Lutatius Catulus hatte keine Mühe, bei seinem überraschenden Vorstoß im späten Sommer den Hafen von Drepana zu besetzen und die wichtigste Stadt, Lilybaion, zu blockieren. Sieben Jahre nach den großen Seesiegen, nach der Vernichtung aller römischen Flotten rächten sich nun die Versäumnisse.
Das Boot, das die schlimme Nachricht von der Belagerung der Festung Drepana gebracht hatte, war abends gekommen. Die ganze Stadt summte, und auch in der Bank gab es zunächst nur ein Thema. Bostar war besonders entsetzt.
»Was regst du dich auf?« sagte Antigonos kalt. »Du wirst dich vielleicht erinnern, daß ich genau diese Entwicklung vorhergesagt habe – vor sechs Jahren.«
Bostar rieb sich die Augen; er schien kaum geschlafen zu haben. »Ja, ich weiß, aber du brauchst nicht darauf herumzureiten. Außerdem – so schlimm, wie du damals gesagt hast, ist es ja noch nicht.«
»Noch nicht, aber es wird kommen; verlaß dich auf die Kornsäcke.«
Bostar kratzte sich den Bart. »Du hast von Niederlage geredet. Ich bin sicher, daß jetzt wieder eine Flotte gebaut wird.«
»Und was wird dann geschehen, deiner geschätzten Meinung nach?«
Bostar beugte sich vor; er stützte sich mit den Ellenbogen auf den Tisch. »Na, was wohl? Die Überlegenheit unserer Seeleute…«
Antigonos unterbrach ihn. »…ist eine alte Geschichte und ohne Bedeutung für die Gegenwart. Qart Hadasht muß eine Flotte bauen – ohne Flotte kein Nachschub für Hamilkars Truppen, ohne Nachschub Niederlage auf dem Land. Aber: Wer soll die Flotte bemannen? Sieben Jahre lang habt ihr versäumt, die Leute auszubilden und mit Schiffen, mit Segeln, mit Katapulten, mit Rudern arbeiten zu lassen. Ihr habt genug gute Kapitäne und Steuerleute – auf Handelsschiffen. Meinst du, ein guter Handelskapitän kann plötzlich eine Pentere befehligen? Die Flotte wird so untüchtig sein wie die ersten Flotten der Römer es waren, und sie wird genauso schnell von den Römern versenkt werden, wie zu Beginn des Kriegs die römischen Flotten von uns. – Und jetzt laß mich arbeiten.«
Im Spätherbst kam Hamilkar Barkas selbst nach Qart Hadasht. Er brachte seine Kinder in den Palast und verhandelte mit dem Rat. Hanno der Große, seit der blutigen Befriedung Libyens einziger Kopf der »Alten«, leistete sich einige Gesten – er stimmte der Entsendung neuer Truppen nach Sizilien zu; die von Hamilkar selbst geleisteten Zahlungen an angeworbene Truppen wurden vom Rat gebilligt und aus dem Staatsschatz ersetzt. Antigonos schnaubte, als er von den Beschlüssen hörte. Die kleine Werft, die die Sandbank vor Jahren verkauft hatte, lieferte Fertigteile zum Flottenbau; sie gehörte jetzt einem Punier, der mit Hannos jüngster Schwester vermählt war. Die größten Waffenschmieden von Qart Hadasht gehörten Hannos Bruder. Und Hanno ließ sich nachträglich alle
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