Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hannahs Briefe

Hannahs Briefe

Titel: Hannahs Briefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronaldo Wrobel
Vom Netzwerk:
Hannah. Der Polizist hörte ihm gar nicht zu. Er wollte Hannah, und sonst keine. Kelevski wiederholte, nein, niemals, sollten die Polackinnen sich doch zum Teufel scheren, Hannah gebe er nicht her! Da sagte Hannah: ›Einverstanden.‹ Was sollte sie denn machen? Zulassen, dassdie Polizei die armen Mädchen des Landes verwies? Natürlich nicht, also ging sie mit ihm mit. Und zwar noch dort, in ihrem Haus. Kelevski flehte sie an, es nicht zu tun, aber es half nichts. Wissen Sie, was dann passierte? Dem Kommissar gefiel es, er war begeistert und Hannah auch, aber als sie zurück ins Wohnzimmer kamen … Oj Got, da war Kelevski tot. Tot, mausetot!« Frohlockend fügte sie hinzu: »Möge er in der Hölle schmoren!«
    Ein makabres Lächeln huschte über ihr Gesicht.
    »Er war der Meinung, das mit der Religion sei alles Quatsch. Sie kennen doch das Gebot, tue keinem Menschen an, was man dir selbst nicht antun soll? Kelevski meinte, wenn alle sich danach richteten, würde niemand es mit niemandem treiben.« Sie lachte. »Die Huren wissen das genau, Senhor Kutner!«
    Zum Nachtisch teilten sie sich ein Stück Apfelkuchen.
    »Kelevski hat ihr alles hinterlassen. Stand so im Testament. Auf einmal war sie reich. Stinkreich!« Sie drückte die Gabel in den Kuchen. »Hannah war schon in Polen reich, als sie mit … Sie heißen übrigens genauso wie ihr erster Mann, wussten Sie das? Was für ein Zufall! Max Kutner war Hannahs erster und einziger Ehemann. Mit Kelevski war sie nicht verheiratet. Und wissen Sie was? In Wirklichkeit mochte sie ihn gar nicht. Er kam ihr gelegen, mehr nicht.« Fany bestellte noch ein Stück Apfelkuchen. »Nun gut, sie war also reich, sehr reich. Und was dann? Hannah wusste, was die Polackinnen durchmachten. Leid, Krankheit,Gefängnis. Sie war nie im Bordell gewesen, aber sie wusste alles. Wer nicht? Also beschloss sie, mit Kelevskis Geld Wiedergutmachung zu leisten. Sie kaufte und sanierte das Gelbe Haus, das damals im Übrigen noch gar nicht gelb war. Sie kennen es wahrscheinlich, es liegt in Bonsucesso. Heutzutage hilft Hannah vielen Menschen. Sie vermietet den Mädchen Kelevskis Häuser zu moderaten Preisen, zahlt den Kindern die Ausbildung, unterstützt unsere Synagoge, unseren Friedhof, sie hilft überall. Und dazu arbeitet sie noch auf eigene Rechnung!«
    Fany klang auf einmal wütend.
    »Und glauben Sie ja nicht, dass sie es mit jedem macht! Nein, nur mit Ministern, Botschaftern, Unternehmern. Einen Tag ist sie in irgendeinem Palast, am nächsten im Hotel Sowieso … Dadurch ist sie natürlich immer bestens informiert. Hannah ist phantastisch! Mein Gott, was für eine Frau!«
    Während Fany Kaffee bestellte, versuchte Max, Hannah mit dieser bewegten Vergangenheit zusammenzubringen. Noch unter Schock schnitt er endlich das Thema an, das er inzwischen fast vergessen hatte.
    »Nun gut … ich kann Ihnen also vertrauen?«
    »Aber sicher, Senhor Kutner. Vertrauen Sie mir!«
    Räuspern.
    »Ich habe gehört, dass Hannah eine Schwester hat.«
    »Oh, ja! Guita. Kennen Sie sie?«
    »Keine Fragen, Dona Fany!« Dann sprach er von der Postkarte, von den Problemen im Nachbarland undden möglichen Konsequenzen. Fany hielt sich die Hände vors Gesicht.
    » Oj, oj! Hannah wird am Boden zerstört sein. Woher wissen Sie das?«
    »Keine Fragen, Dona Fany! Um Gottes willen, keine Fragen! Und sagen Sie Hannah nicht, dass ich Ihnen davon erzählt habe, verstanden? Auf gar keinen Fall!«
    »Ihre Schwester ist alles, was sie hat. Hannah ist verrückt nach ihr und sie nach Hannah. Guita ist sehr gut verheiratet mit einem millionenschweren Gutsbesitzer …« Sie warf Max einen verschwörerischen Blick zu. »Oder wussten Sie das schon?«
    »Keine Fragen, Dona Fany!«
    »Hannah liebt nur ihre Schwester, der Rest ist unwichtig. Wenn es Guita schlechtgeht, geht es Hannah schlecht. Wenn Guita lacht, lacht Hannah auch.« Sie sah ihn ernst an. »Geben Sie es auf, Senhor Kutner.«
    Max zuckte zusammen.
    »Das habe ich nicht in der Hand, glauben Sie mir.«
    »Die Liebe hat niemand in der Hand.« Sie hob den Zeigefinger. »Aber manchmal ihr Ende!«
    Nach diesem Ratschlag wechselten sie einen freundlichen Blick, dann tranken sie ihren Kaffee.
    »Hannah wird außer sich sein, oj, oj! Guita ist wie eine Tochter für sie. Sie haben in Polen zusammengewohnt, in Pinsk. Kennen Sie Pinsk? Ah, ja. Hannah war damals schon verwitwet, aber sie hatten Verwandte in Argentinien. Sie lebten schon seit Jahren dort, in einer der Kolonien von Baron

Weitere Kostenlose Bücher