Hannahs Entscheidung
Flüsschen spannte. Der Willow Creek. Sicher wäre es äußerst romantisch, im hohen Gras am Flussufer unter dem grünen Dach einer Weide ein Picknick zu veranstalten, überlegte Hannah. Nur dass es niemanden gab, der mit ihr dort sitzen würde.
Die freudlosen Gedanken beiseiteschiebend, erkannte Hannah bald, dass sie den Stadtrand erreicht hatten. Sam verließ die Landstraße und folgte einem schmalen Schotterweg durch fruchtbares Weideland. Ein geschlossenes Viehgatter stoppte die Fahrt. Sam musste aussteigen, um das Tor zu öffnen. Der Weg schlängelte sich eine Anhöhe hinauf durch einen Kiefernwald und endete in einer Lichtung. Vor einem großen Haus brachte Sam den Wagen zum Stehen. Umgeben von hohen alten Roteichen entsprach es der Luxusversion einer großzügigen Log Cabin in den Bergen. Das Dach des holzverkleideten Gebäudes bestand aus mehreren Spitzgiebeln, bodenhohe Fenster im Erdgeschoss reflektierten das Sonnenlicht. An einer Seite erstreckte sich eine breite Veranda. Von dort senkte sich der Hügel sacht zum Wald hin. Hinter ihm konnte Hannah die dunkle Silhouette der Blue Ridge Mountains ausmachen.
»Wollen Sie Wurzeln schlagen oder kommen Sie mit?« Sams Stimme riss Hannah unsanft aus ihren Betrachtungen. Er zerrte ihre Reisetasche vom Rücksitz und hielt sie ihr entgegen.
»Danke.« Ihre Finger berührten sich flüchtig.
»Nichts zu danken«, erwiderte er mit diesem kaum wahrnehmbaren spöttischen Unterton, den ein unaufmerksamer Zuhörer vielleicht nicht bemerken würde. Er ging voran, um die massive Holztür aufzuschließen.
16. Kapitel
I m Eingangsbereich schlüpfte er aus seinen Stiefeln. Offensichtlich dachte er nicht im Traum daran, Hannah hereinzubitten.
Augenrollend folgte sie ihm. Da dieser Mensch keine Manieren besaß, hielt sie es nicht für nötig, sich ihrer Sneaker zu entledigen. Es kümmerte sie nicht, wenn sie auf seinem Boden Fußspuren hinterließ. Unauffällig musterte sie die glänzenden Terracottafliesen. Sie wirkten gepflegt und sauber.
»Kommen Sie schon«, brummte Sam, ungeduldig mit der Hand wedelnd.
Sie ließ ihr Gepäck neben einer schönen alten Standuhr aus Kirschbaumholz stehen und lief hinter ihm her, vorbei an einer breiten Treppe, die ins Obergeschoss führte. Der offene Raum, den sie betraten, wirkte, als sei er direkt der Zeitschrift Southern Living entsprungen. Er war großzügig, lichtdurchflutet und rustikal, ohne bieder zu sein. Wenige, massive Holzmöbel dominierten, ein steinerner, offener Kamin wurde von einer gemütlichen Sitzgruppe flankiert. Abgetretene Orientteppiche in warmen Farben ergänzten den edlen Holzparkettboden. In der Mitte des Zimmers lud ein Sekretär aus dunklem Kirschholz zum Arbeiten ein. Ein riesiges Regal an einer der schlichten Natursteinwände, die bis hinauf ins Spitzgiebeldach reichten, enthielt jede Menge Bücher und die eine oder andere geschnitzte Holzskulptur, vermutlich indianischer Herkunft. Hannah fand den Raum umwerfend, behaglich und dabei doch stilvoll. So viel Geschmack hätte sie Sam Parker gar nicht zugetraut. Er fing ihren Blick auf.
»Möchten Sie Frühstück?«
»Nein, danke .« Ihr war nicht nach Essen zumute. Zu tief noch saß der Schreck über den Einbruch.
»Etwas trinken?«
»Gern.« Läuft ja super, diese Konversation, dachte Hannah trocken. Das würde sicherlich sehr gemütlich werden mit ihnen beiden unter einem Dach. Sie sehnte sich nach einem Bett. »Wo werde ich schlafen?«
Sam, der bereits auf dem Weg in die Küche war, drehte sich um. »Zeige ich Ihnen später. Ich werde uns jetzt erst einmal etwas zu trinken holen.«
»Natürlich.«
»Ein Glas gekühlten Wein?«
»Nein. Keinen Alkohol bitte.« Als Sam außer Sichtweite war, ließ sie sich auf das Sofa sinken und lehnte sich zurück. Für einen winzigen Moment schloss sie die Augen.
»Tee? Kaffee?« Sams Stimme drang aus der Küche zu ihr. »Ich nehme mir ein Gingerale – wollen Sie auch?«
»Ja. Warum nicht.« Sie hoffte, er hatte sie gehört. Auf einmal fühlte sie sich schlapp und kraftlos. Sie hatte eindeutig zu wenig geschlafen. Sie hörte Sam in der Küche hantieren. Gläser klirrten, Schranktüren schlugen, und dann ertönte das krachende Geräusch der Eiswürfelmaschine. Kurz darauf kehrte er mit einem vollen Tablett zurück.
»Die Blaubeermuffintörtchen habe ich im Kühlschrank gefunden«, murmelte er beiläufig, während er das Tablett auf den Couchtisch schob. »Ich hoffe, Sie mögen Muffins. Deanna hat sie
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