Hannas Entscheidung
Pathologie, aber es konnte nachgewiesen werden. Der Mörder hat Ahnung von Pharmakologie.«
»Meine Schwester hat jedenfalls keine Kenntnisse in Pharmakologie.«
»Nein, sie ist nur die Geschäftsführerin des größten deutschen Pharmakonzerns in Familienbesitz.«
»Sie ist Leiterin der Presseabteilung, nicht Geschäftsführerin.«
»Tja, da haben Sie wohl etwas verpasst.«
Hanna starrte ihn an, fragte sich, ob er ihr bewusst falsche Informationen lieferte.
»Frau Rosenbaum, erfreulich, Sie lebendig zu sehen.«
Der Mann, der den Raum betrat, besaß eine kleine und untersetzte Statur. Kurze, stoppelige, graue Haare bedeckten seinen Kopf. Wache braune Augen musterten sie durch eine schwarz gerahmte Brille. Zweimal waren sie sich im Laufe des letzten Jahres begegnet. Zwei Mal hatte er einen grauen Anzug mit schwarzem Hemd getragen, genauso wie heute. Hanna wusste aus ihren letzten Begegnungen, dass Konz keinen Humor besaß. Er war ein korrekter, gewissenhafter Beamter, der nichts dem Zufall überließ und sich in Kleinigkeiten verbeißen konnte.
Er legte einen Stapel Akten auf den Tisch und reichte Hanna die Hand, aber sie lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Wie Sie wollen.«
Er setzte sich. »Wo waren Sie am Montag, dem zwanzigsten fünften zweitausenddreizehn?«
»Auf der Flucht.«
»Flucht?«
»Ja, weil jemand sich in Ihr System gehackt und am Samstagabend versucht hat, mich zu schnappen.«
»Und wo waren Sie auf der Flucht?«
»In Deutschland.«
»Geht es präziser?«
»Weshalb?«
Er öffnete einen seiner Hefter, holte ein Foto heraus und legte es vor Hanna hin. Es schien im Besuchsraum eines Gefängnisses aufgenommen worden zu sein. Sieerkannte Marie und Lukas.
Konz zeigte auf die Frau. »Sind Sie das?«
Für einen Moment überlegte sie, ob sie für Marie lügen sollte. In ihrem Magen bildete sich ein Klumpen. Hatte Marie Lukas getötet?
»Nein.«
»Haben Sie ein Alibi für den Tag?«
»Nein.«
»Was haben Sie in der Wohnung von Major Ben Wahlstrom gemacht?«
»Stehe ich unter Verdacht?«
»Sagen Sie es mir.«
Sie stand auf.
»Was haben Sie vor?«
»Zu gehen.«
»Frau Rosenbaum, ich glaube, Ihnen ist nicht klar, in welcher Situation Sie sich befinden.«
Hanna setzte sich. »Dann klären Sie mich auf.«
Konz faltete die Hände auf dem Tisch. »Sie haben sich ohne Rücksprache mit ihrem Ansprechpartner von Ihrem letzten bekannten Aufenthaltsort entfernt. Zwei Tage später wird der Mann, dessentwegen Sie sich im Schutzprogramm befinden, tot in seiner Zelle aufgefunden. Knapp zwei Wochen später greifen wir Sie in der Wohnung von Major Ben Wahlstrom auf, der sich damals mit Ihnen in Norwegen versteckt hat. Beantworten Sie meine Frage. Was haben Sie in seiner Wohnung gemacht?«
»Fragen Sie doch ihn.«
»Das werden wir.« Konz nahm seine Akte zu sich.
»Und was passiert jetzt?«
»Sagen Sie es mir.«
»Ich stehe auf und gehe hier raus.«
»Als wer?«
Verwirrt sah sie ihn an.
»Wer? Johanna Rosenbaum oder Sabine Schmidt?«
»Sie können mich nicht festhalten.«
»Nein? Weshalb nicht?«
Dieser Typ war schlimmer als Ben. Sie legte ihre Arme auf den Tisch und beugte sich vor. »Weil ich Rechte habe.«
»Sie sind in einem Zeugenschutzprogramm, Ihre Tarnidentität ist aufgeflogen, und einer der verurteilten Täter wurde ermordet. In diesem speziellen Fall werden Sie aus Sicherheitsgründen in Haft genommen.«
»Ich möchte einen Anwalt.«
Konz klappte einen anderen Aktenordner auf und zog ein Papier heraus. »Frau Rosenbaum, ich sage es nochmals. Wir sind das BKA. Bei uns hat alles seine Ordnung.«
Sie nahm das Papier und las es sorgfältig durch. Es war die Kopie eines Schreibens der Staatsanwaltschaft mit dem heutigen Datum. Darin wurde bestätigt, dass aufgrund der jüngsten Vorkommnisse und der besonderen Gefährdung der Kronzeugin einer Inhaftierung auch gegen deren Willen zugestimmt wurde. Na, toll. Jetzt war sie völlig abgeschnitten von jeglichen Informationen und von Marie. Sie reichte Konz das Papier zurück.
»Sie können das Schriftstück behalten. Ich habe die Kopie extra für Sie gemacht«, erklärte Konz süffisant.
»Wo wurde Lukas Benner ermordet?«
»Das Gefängnis untersteht nicht uns. Ihre Haft schon.«
»Und Sie denken, ich wäre bei Ihnen sicher?«
»Gibt es etwas, dass Sie uns sagen möchten, Frau Rosenbaum?«
»Nein.« Hanna hielt seinem Blick stand – mit derselben Ruhe und Kälte wie Konz. Es war nicht ihr Problem,
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