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Hannas Entscheidung

Hannas Entscheidung

Titel: Hannas Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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den Mittagszug, der Rom in Richtung Deutschland verlässt, und hätte eigentlich am Montagmorgen gegen sieben Uhr in Berlin ankommen müssen. Doch dort kam sie nicht an.«
    »Sind Sie da sicher?«
    »Nicht absolut«, übernahm Voigt die Antwort, »aber wir hatten vereinbart, dass sie von einem Freund abgeholt wird, der sie dann von dort zur Polizei bringen sollte.«
    »Und der hat sie nicht gesehen? Kannte Hanna den Freund?«
    »Ja.«
    »Und Sie warten vier Tage, anstatt es sofort zu melden? Ist Ihnen klar, wie schwer es sein wird, jetzt überhaupt noch eine Spur von ihr zu finden?«
    »Sie brauchen keine Spur. Hanna ist in Berlin, da bin ich mir sicher. Ich befürchte nur, dass sie sich allein mit Leuten anlegt, deren Gefährlichkeit sie unterschätzt, und deshalb müssen Sie sie finden und aufhalten.«

12 Marie
    »Elisabeth Jung«, meldete sich die zerknautschte Stimme von Bens Schwester am Telefon.
    Erleichtert atmete Hanna auf. Nach zwei Anläufen, über einige Stunden verteilt, hatte sie einmal den Anrufbeantworter, das andere Mal Lisas Mann Tom an Telefon gehabt, nun endlich Lisa.
    »Hi, ich bins.«
    »Oh.«
    Sie hielt den Atem an, hoffte, dass Lisa jetzt nicht den Fehler machte und einen Namen nannte.
    »Wie geht es dir?« Keine Freude, sondern vorsichtige Zurückhaltung lag in ihrer Stimme.
    »Sollte ich das nicht eher dich fragen?« Sie lächelte bei dem Gedanken, dass sich Lisas größter Wunsch erfüllt hatte und sie schwanger war. Im Kopf rechnete sie. Lisa musste im neunten Monat sein.
    »Besser nicht. Das erinnert mich nur daran, dass ich ein wandelnder Wal bin, der ständig nach Luft schnappt.« Lachen von der anderen Seite des Hörers.
    Für einen Moment lehnte Hanna die Stirn an die Wand des öffentlichen Telefons. Sie hatte nicht mit Lisa Kontakt aufnehmen wollen, aber sie wusste nicht, wohin. Nach achtunddreißig Stunden, in denen sie durch Deutschland geirrt war, brauchte sie eine Pause und ein paar Stunden Schlaf. Den Bewacher ihres Onkels hatte sie bereits in München abgehängt, doch sie war vorsichtig geworden und hatte sich in verschiedenen Städten aufgehalten, unterschiedliche Klamotten und Perücken gekauft, sodass sie bestens vorbereitet war. Womit sie nicht gerechnet hatte, war, dass Marie ihr Haus verkauft hatte. Zu ihrer Mutter konnte sie unmöglich, dann hätte sie sich gleich ein Schild an die Stirn kleben können: Hier bin ich. Caroline ging auch nicht, dann hätte sie wieder die Bewacher von Onkel Richard am Hintern kleben. Blieb nur Lisa, in der Hoffnung, dass Ben wieder gesund und in irgendeinem anderen Land hockte. Nur eine oder maximal zwei Nächte, mehr brauchte sie nicht für eine neue Lösung.
    »Hey, du weißt, dass ich für dich da bin. Was ist los?« Lisa interpretierte ihr Schweigen richtig.
    »Ist die Wohnung frei?«
    »Ja.«
    »Auch für zwei Nächte?«
    »Ja, soll ich dich abholen? Du hörst dich müde an.«
    »Nein. Was sagen wir Tom?«
    »Keine Sorge, mir fällt etwas ein. Ich bin noch eine Stunde unten in der Praxis, muss ein bisschen was nacharbeiten. Und ich dachte, Mittagsschläfchen wären nur was für alte Leute.« Erneut drang ein fröhliches Lachen von der anderen Seite an Hannas Ohr.
    »Klingel einfach am Hintereingang der Praxis, dann lass ich dich rein.«
     
    Für ihre Tasche verwendete sie ein Schließfach am Bahnhof. In ihren neu erworbenen großen Rucksack packte sie die notwendigsten Sachen. So stand sie eine Dreiviertelstunde später vor dem Hintereingang der Praxis Dr. Jung.
    Lisa sah aus wie das blühende Leben. Ihre kastanienbraunen Haare glänzten, das Gesicht wirkte runder, die Haut rosig zart, ihre grünen Augen glitzerten vergnügt. Bevor Hanna irgendetwas sagen konnte, packte die Ärztin sie und zog sie hastig in die Praxis. Erst dort schloss Lisa sie in die Arme. Die Schwangere lachte, wischte sich dann die Tränen aus den Augen. »Sorry, ich muss immer und ständig heulen.« Ihr kritischer Blick traf Hanna. »Du hörst dich nicht nur müde an, du siehst aus, als hättest du in letzter Zeit überhaupt nicht geschlafen. Und dünn bist du geworden!«
    Hanna lächelte matt. »Das kommt dir nur so vor.«
    Doch Lisa schüttelte den Kopf. »Du gehst jetzt erst mal hoch, stellst dich unter die Dusche, und ich bin in einer Viertelstunde bei dir. Dann kannst du mir alles erzählen.«
    »Tom?«
    »Den habe ich in die Sauna geschickt. Ich hab ihm gesagt, dass ich eine lange vermisste Freundin erwarte, mit der ich den restlichen Abend über alte

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