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Hannas Entscheidung

Hannas Entscheidung

Titel: Hannas Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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Zeiten quatschen will, und die in Bens Wohnung schläft.«
    Hanna entging nicht der prüfende Blick, als sie den Namen ihres Bruders verwendete. Doch sie war darauf vorbereitet. Wenn es eines gab, wofür sie ihm dankbar war, dann für Elisabeth. Bevor sie in ihr neues Leben abgetaucht war, hatte sie Lisa besucht, um sich bei ihr zu bedanken. Immerhin war sie es gewesen, die sie nach dem Messerstich, den Lukas ihr verpasst hatte, wieder zusammenflickte. Doch aus dem kurzen Dankeschön entstand eine tiefe Freundschaft. Als wäre die Zeit stehen geblieben, schrieben sie sich Briefe mit der Hand, Hanna ohne Absenderadresse. Außerdem verwendete sie unterschiedliche Postämter, was sich in Bonn, nahe dem Ruhrgebiet, leicht machen ließ. Lisa schickte ihre Briefe an eine Studienkollegin, wo Hanna sie sich abholte. In Rom hatte sie die Briefe an das Ordenshaus geschickt bekommen. Sie schrieben sich über alles. Nur Ben blieb außen vor.
    »Hast du ihm einen Namen gesagt?«
    Lisa grinste. »Nee, ich hab ihn so zugequatscht, dass er es völlig vergessen hat. Welchen verwendest du zurzeit?«
    »Keinen. Such dir was aus.«
    »Okay, dann nenn ich dich Julia. Und jetzt sieh zu, dass du unter die Dusche kommst. Du stinkst. Ach ja, und wenn du deine Klamotten waschen möchtest, musst du leider in den Keller stiefeln.« Sie drückte Hanna einen Schlüssel in die Hand und schob sie in den Flur.
     
    Seltsam, in seiner Wohnung zu sein. Sie bestand aus zwei Räumen, Küche und Bad. Trotz Schräge und beschränkter Größe besaß es eine Dusche und eine Badewanne. Über der einen Seite der Badewanne gab es ein Dachfenster und Hanna fragte sich, wie es wohl sein müsste, im Dunkeln zu baden, mit dem Sternenhimmel über dem Kopf. Im Wohnzimmer gab es zwei gemütliche braune Ledersofas mit flauschigen Kissen. Ein gigantisch großer Fernseher nahm die dem Sofa gegenüberliegende Wand ein. Von dem Wohnzimmer konnte sie auf einen winzig kleinen Balkon treten, gerade so breit, dass ein Tisch und zwei Stühle Platz fanden, immerhin geschützt vor neugierigen Blicken von einem ausladenden Dach. Außerdem fand sich noch ein gemütlicher Sessel mit Hocker, der eindeutig von Ikea stammte, ebenfalls aus Leder.
    Auf einer Seite des Raums zog sich komplett ein Regal entlang, das vollgestellt war mit Büchern. Neugierig ging sie näher. Da waren hauptsächlich Sachbücher: Geschichte, Politik, Biografien und Krieg. Fotobände von ihren Bildern befanden sich ebenfalls darunter. Sie zog den Band ‚Mütter dieser Welt‘ heraus. Langsam blätterte sie ihn durch. Von jedem Bild wusste sie, wie und wann es entstanden war. Ein Buch voller Leben, Liebe und Hoffnung. Sie klappte es zu und stellte es in das Regal zurück, exakt so, wie sie es vorgefunden hatte, in einer Linie mit den anderen Bänden. Überrascht sah sie, dass es auch einen Band von der Ausstellung für die deutsche AIDS-Hilfe gab. Auch ihn holte sie heraus und öffnete ihn. Das Autorenhonorar ging an die deutsche AIDS-Hilfe. Es gab ein Vorwort von Kati Merz, in dem sie ihr Bedauern über den plötzlichen Tod der Fotografin Johanna Rosenbaum äußerte und ihre Dankbarkeit für die Übergabe der Bildrechte durch Marie Benner. Eins der wenigen Fotos von Marie und ihr beendeten das Vorwort. Mit einem Kloß im Hals schob sie das Buch zurück ins Regal und ging weiter.
    Eine kleine Küche mit einem Tisch und zwei Stühlen, ein Schlafzimmer, das außer einem Schrank und einem französischen Bett noch ein Laufband beherbergte, und sie hatte die gesamte Wohnung gesehen. Keine Bilder an den Wänden, der Fußboden rustikale Eichendielenbretter, hell gebeizt, mit Flickenteppichen darauf, erinnerten Hanna an die Hütte in Norwegen. Sie seufzte, stellte ihren Rucksack im Schlafzimmer ab, holte sich T-Shirt und Jogginghose heraus und ging ins Bad.
     
    Sie hörte, wie Lisa die Wohnung betrat. Ein letzter Blick überzeugte sie, dass alles im Badezimmer wieder an seinem Platz stand, bevor sie ihr Necessaire zurück in den Rucksack steckte.
    Lisa hatte es sich auf einer der Couchen im Wohnzimmer gemütlich gemacht. Ihren Kopf in einem Kissen versunken lag sie auf der Seite mit einer Hand auf ihrem runden Bauch. Vor ihr auf dem kleinen Tisch stand ein Tablett mit einem Teller voller Brote, zwei Gläsern und einer Flasche Wasser.
    »Ich dachte, du hast vielleicht Hunger, bevor du ins Bett gehst. Der Kühlschrank hier oben ist leer, und er weiß immer ganz genau, was für Lebensmittel in seinem Schrank stehen.«

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