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Hannes - Falk, R: Hannes

Hannes - Falk, R: Hannes

Titel: Hannes - Falk, R: Hannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Falk
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Die Wände sind voll mit Bildern und edler Keramik, wohin man schaut. Aufgefallen ist mir auch, dass überall Patchworkdecken liegen in bunten Farben, vermutlich in Handarbeit gefertigt, gehäkelt oder gestrickt. Auf einer Anrichte Familienfotos in Hülle und Fülle in kostbaren Rahmen. Auf den meisten ein kleines Mädchen, vermutlich Jasmin. Ihre Haare schwarz und eine Haut wie Milch und Honig, gut zu verstehen, warum sie das Herzstück der Familie gewesen ist. Ich hab eins der Fotos mitgenommen und gehofft, dass die Frau Stemmerle das gut findet. Außerdem hab ich noch einen ganzen Korb voll Wolle und Nadeln mitgenommen, vielleicht kann sie jetzt ja was handarbeiten, wo’s mit der Bastelei vorbei ist. Bin noch mal kurz runter zum See, einfach weil der Blick so schön war. Und da bin ich eben gestanden, mit der Wolle und dem Bild und gaffte in den See hinaus.
    Irgendwann hat mich jemand von hinten ziemlich unwirsch auf die Schulter getupft. Als ich mich umgedreht hab, stehtda ein Mann in mittlerem Alter, und ich hab auch gleich richtig geahnt, dass es der Sohn ist. Der Sohn eben von der Frau Stemmerle und der Vater von der Jasmin. Und er wollte natürlich wissen, was ich hier mach. Ich hab mich kurz vorgestellt und die Sache erklärt. Er hat mir dann erzählt, dass er jeden Sonntag hierherkommt, nicht ins Haus, nur an den See, und ein paar Blumen ins Wasser wirft. Das hat er auch getan. Wir haben den Blumen hinterhergeschaut, wie sie so dahintreiben, und haben geschwiegen. Bevor ich abgedüst bin, hab ich ihn noch gefragt, ob er denn seine Mutter nicht mal besuchen möchte im Vogelnest, und gesagt, dass sie sich darüber bestimmt unheimlich freuen würde. Und er hat gesagt: »Meine Mutter hat ihr ganzes Leben lang nichts getan. Außer ein paar dämliche Handarbeiten vielleicht. Sonst nichts, wissen Sie. Sie hatte eine Putzfrau, einen Gärtner, und was weiß ich noch alles. Sie hat selber nie irgendetwas tun müssen. Die einzige Aufgabe in ihrem Leben war es, auf die kleine Jasmin zu achten. Das war alles. Mehr hat keiner von ihr verlangt. Ist das denn verdammt noch mal zu viel verlangt, auf ein achtjähriges Mädchen aufzupassen?« Er ist im Laufe des Redens immer lauter geworden und hat am Schluss gebrüllt. Das war nicht schön.
    Bin dann auf die Zündapp gestiegen und mit der Wolle und dem Bild im Rucksack nach Hause gefahren. Die Frau Stemmerle hat sich trotzdem gefreut über die Wolle und das Bild. Sie hat zwar gesagt, dass sie die Jasmin im Herzen hätte, aber über das Bild hat sie sich trotzdem gefreut. Das Treffen mit ihrem Sohn hab ich nicht erwähnt. Zumindest nicht ihr gegenüber. Habe die Geschichte der Walrika auf dem Balkon erzählt. Sie hat aufmerksam zugehört und schließlich gesagt:»Sie fahren da am nächsten Sonntag noch mal hin, Uli. Zuvor kommen Sie hier im Vogelnest vorbei, haben Sie mich verstanden. Wir werden den Herrn Stemmerle in Gottes Namen wohl zur Vernunft bringen, meinen Sie nicht?«
    Ich hab nur genickt.
    Mittwoch, 14.06.
    Du, Hannes, stell dir vor, ich hab heute einen Anruf gekriegt aus Neuseeland. Und jetzt rate mal, wer dran war. Der Brenninger! Und natürlich der Michel, aber der wohnt ja da. Na, jedenfalls hat der Brenninger angerufen und gesagt, gleich nachdem er mit dem Michel Kontakt aufgenommen hatte, ist er los und hat sich ein Ticket gekauft. Er sagt, er braucht jetzt mal ’ne Auszeit und wird ein paar Wochen dort bleiben, wo er jetzt ist, und die Zeit genießen. Ich hatte den Eindruck, sie waren ziemlich blau, es war ja auch mitten in der Nacht nach neuseeländischer Zeit, als sie angerufen haben. Der Michel hat dann noch gesagt, dass ihm das unheimlich leidtut, was mit dir passiert ist, und es hat sich ganz komisch angehört. Es passt halt irgendwie nicht, wenn einer von einer »unglaublich dramatischen Tragödie« spricht und dabei lallt. Ehrlich gesagt hab ich das Wort »Tragödie« gar nicht verstanden oder erst, nachdem wir das Telefonat beendet hatten. Obwohl ich dreimal nachgefragt habe. Aber er hat, wie gesagt, gelallt und hat dann noch diesen englischen Slang und er hat immer so was wie »Dratschi« gesagt. Aber wie gesagt, hinterher ist mir dann eingefallen, dass es wohl Tragödie war, was er gemeint hat. Egal.
    Jedenfalls soll ich dich grüßen, von ganzem Herzen, wirklich,von ganzem Herzen, hat der Brenninger gelallt. Ich hab dir das natürlich ausgerichtet und die Geschichte erzählt, du hast aber nicht reagiert.
    Montag, 19.06.
    Hallo Hannes,
    ja, ich bin

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