Hanni und Nanni - Klassenfahrt nach England
bekommen.
„Na ja“, sagte Nanni, „eine kleine Postkarte wäre ja wohl schon drin gewesen, oder?“
„Ihr habt recht“, gab Clyde zu. „Tut mir echt leid. Ich war ziemlich faul. Aber jetzt seid ihr ja hier, und ich freu mich riesig.“
Die Zwillinge wollten nicht lange auf der Sache herumreiten, auch wenn sie schon ein bisschen eingeschnappt gewesen waren.
„Jungs“, sagte Hanni wegwerfend und grinste Nanni an.
„Jungs“, sagte auch Nanni und damit war die Angelegenheit erledigt.
„Ruhe, bitte!“, rief Mister Gordon und klatschte in die Hände. Ein hagerer, junger Mann in einer abgewetzten Cordhose und einem karierten Sakko betrat den Rittersaal. Er winkte Mister Gordon zu.
„Darf ich vorstellen“, sagte Mister Gordon laut. „Sir Geoffrey Duckton, Erbe der Ländereien und Besitztümer derer von Duckton, und außerdem der jetzige Leiter des Internats St. Claire.“
„Na, na, Hugh“, sagte der junge Mann und klopfte Mister Gordon auf die Schulter. „Nicht so förmlich. Geoffrey Duckton reicht völlig aus, n’est-ce pas?“ Damit gab er der entzückten Mademoiselle Bertoux einen Handkuss. Frau Mägerlein sah ihn entsetzt an und packte, als die Reihe an sie kam, sofort kräftig seine Hand und schüttelte sie.
„Ich freue mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen. Hugh hier … “ Sir Duckton klopfte Mister Gordon wieder auf die Schulter „… hat schon so viel von Ihnen erzählt. Lassen Sie uns in den Speisesaal gehen.“
Er ging mit Mademoiselle Bertoux voraus, Mister Gordon folgte mit Frau Mägerlein, und hinter ihnen her trabten kichernd und schwatzend die Mädchen von Schloss Lindenhof und die Jungs von St. Claire.
„Ein echter Adliger“, sagte Nanni später zu Hanni. „Ich kam mir vor wie bei einem Empfang.“ Die Zwillinge hatten ein Zimmer im Flügel der Burg, der für die Mädchen reserviert war. Sie lagen in einem riesigen Bett mit Baldachin. An den Wänden hingen Teppiche und am Fenster das Gemälde einer Frau, die aus ihrem Bild sehnsüchtig nach draußen starrte.
„Ja, mit so einem Sir wird es gleich ein bisschen vornehmer“, kicherte Hanni neben ihr. „Ich bin aber vor allem froh, dass sich die Sache mit Clyde erledigt hat. Er ist ja sehr nett, aber … das ist auch alles.“ Sie sah ihre Schwester forschend an.
Nanni nickte. „Ja, da ist mir auch Stein vom Herzen gefallen.“
Sie schwiegen eine ganze Weile und Nanni dachte, Hanni wäre schon wieder eingeschlafen, als die auf einmal sagte: „Ich fand ja Greg aus dem Zug total nett.“
„Mhm“, machte Nanni und ihr fiel wieder ein, dass auch Daniela ihn sehr nett gefunden hatte. Mehr als nur nett. Hanni würde sich doch hoffentlich nicht schon wieder in den gleichen Jungen verlieben wie Daniela? Sonst wäre der Ärger vorprogrammiert. Aber dann beruhigte sie sich damit, dass sie Greg sowieso nie wiedersehen würden. Und mit einem Blick auf die bleiche Lady in ihrem Rahmen am Fenster schlief sie ein.
Das Gespenst von St. Claire
Am nächsten Morgen hatte sich das Gewitter verzogen und die Sonne stand strahlend am Himmel. Die wilde, düstere Landschaft vom Abend davor hatte sich in sanfte Hügel und saftige Wiesen verwandelt, die von kleinen grauen Steinmauern durchzogen waren. Am Horizont erhob sich dunkelgrün ein Stück englischer Wald, vor dem ein paar Schafe weideten. Nur die Lady auf dem Gemälde im Zimmer der Zwillinge sah noch genauso sorgenvoll aus dem Fenster wie gestern.
Hanni und Nanni hatten ausgeschlafen und machten sich gut gelaunt auf zum Speisesaal. Sie stellten allerdings bald fest, dass das gar nicht so einfach war. Beide waren gestern so müde gewesen, dass sie gar nicht auf den Weg geachtet hatten, den sie nach dem Abendessen gegangen waren. Und St. Claire war nicht nur ziemlich alt, sondern auch ziemlich groß und ziemlich verwinkelt.
Nachdem sie mehrere Gänge entlanggegangen und verschiedene Treppen hinauf- und hinuntergelaufen waren, blieben sie in einem Teil der Burg stehen, in dem nur winzige, längliche Durchbrüche in der Mauer Licht hereinließen.
„Wir haben uns verlaufen“, stellte Nanni trocken fest.
„Sieht ganz so aus. Die anderen sind bestimmt schon alle beim Frühstück“, sagte Hanni.
„Du weißt, was das bedeutet?“
„Ach, mir schwant Böses. Wenn das so weitergeht, haben wir Küchendienst bis an unser Lebensende.“
„Das fürchte ich auch.“ Nanni lachte. „Komm weiter. Das wäre doch gelacht, wenn wir hier nicht mehr rausfinden würden.“ Langsam gingen
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