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Hannibal

Hannibal

Titel: Hannibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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wie immer geöffnet, wie das der Muräne, die ebenfalls schlief. Die einzigen Geräusche im Raum waren das regelmäßige Zischen und Ächzen des Beatmungsgeräts und das sanfte Blubbern des Belüfters, der das Wasser im Aquarium mit Sauerstoff anreicherte. Dieser Geräuschkulisse fügte sich ein anderer, sanfter und zugleich dringlicher Ton hinzu. Das Summen von Masons rotem Telefon. Die Finger seiner bleichen Hand tasteten wie Spinnenbeine nach dem Telefonknopf. Den Lautsprecher hatte man unter seinem Kissen, das Mikrofon nahe dem Trümmerfeld von einem Gesicht angebracht. Zuerst hörte Mason das Geräusch eines Flugzeugs im Hintergrund und dann die nervtötende Melodie von »Gli Innamorati«. »Ich bin am Apparat.« »Es ist ein blutiges casino«, sagte Carlo. »Ich höre.« »Mein Bruder Matteo ist tot. Ich sitze neben seiner Leiche. Pazzi ist ebenfalls tot. Dr. Fell hat beide getötet und ist geflohen.« Mason antwortete nicht gleich. »Sie schulden mir zweihunderttausend Dollar für Matteo«, sagte Carlo. »Für seine Familie.« Sardische Verträge enthielten immer Klauseln über Kompensationen im Todesfall. »Ich verstehe.« »Wegen Pazzi wird die Scheiße überkochen.« »Besser, wir lassen durchsickern, daß Pazzi korrupt war«, sagte Mason. »Dann schlucken sie es leichter. Hatte er Dreck am Stecken?« »Abgesehen von dieser Aktion? Keine Ahnung. Was, wenn sie die Spur von Pazzi zu Ihnen zurückverfolgen?« »Damit komme ich schon klar.« »Ich muß auch damit klarkommen«, sagte Carlo. »Das Ganze ist einfach eine Nummer zu groß. Ein Chefinspektor der Questura ist tot. Ich komme da nicht so einfach raus.« »Du hast doch nicht ... oder etwa doch?« »Nein, wir haben nichts gemacht. Aber wenn die Questura meinen Namen damit in ... Madonna! Sie werden mir für den Rest meines Lebens auf der Pelle hängen. Niemand wird sich mehr von mir anheuern lassen. Ich mache keinen Stich mehr auf der Straße. Was ist mit Oreste? Weiß er, wen er hätte filmen sollen?« »Ich denke, nicht.« »Die Questura wird Dr. Fell bis morgen, spätestens übermorgen identifiziert haben. Oreste wird eins und eins zusammenzählen, sobald er die Nachrichten sieht.« »Oreste wurde gut bezahlt. Er kümmert uns nicht.« »Sie vielleicht nicht. Aber Oreste steht nächsten Monat in Rom wegen einer seiner Pornogeschichten vor Gericht. Er wird versucht sein, einen Handel abzuschließen. Falls Sie das noch nicht auf der Rechnung haben, sollten Sie langsam in die Gänge kommen. Werden Sie mit ihm fertig?« »Ich spreche mit ihm«, sagte Mason, die Worte mit seiner wohlklingenden Ansagerstimme sorgfältig betonend. »Carlo, bist du noch im Spiel? Du willst Dr. Fell jetzt finden, oder? Du mußt ihn aufspüren, schon wegen Matteo.« »Ja, aber auf Ihre Rechnung.« »Halte die Farm am Laufen. Organisiere Impfbescheinigungen für Schweinegrippe und Schweinepest. Besorge Transportkisten für die Schweine. Hast du einen guten Paß?« »Ja.« »Ich spreche von einem wirklich guten, Carlo, nicht irgend so einem Dreck aus einer italienischen Hinterhofdruckerei.« »Meiner ist erstklassig.« »Du hörst von mir.« Als Carlo das Gespräch in dem dumpf brummenden Flugzeug beendete, kam er unabsichtlich auf eine der
Kurzwahltasten. Matteos Telefon klingelte laut in dessen toter, von der Leichenstarre verkrümmten Hand. Einen Moment lang glaubte Carlo, sein Bruder hebe das Telefon ans Ohr. Als ihm bewußt wurde, daß Matteo nicht antworten konnte, klappte er langsam sein Handy zu. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse. Der Pfleger mußte sich abwenden.

KAPITEL 38
    »Des Teufels Rüstung« mit seinem gehörnten Helm ist ein Meisterwerk italienischer Schmiedekunst des fünfzehnten Jahrhunderts. Die prächtige Ritterrüstung hängt seit 1501 in der südlich von Florenz gelegenen Dorfkirche von Santa Reparata hoch oben an der Wand. In Ergänzung zu den elegant geschwungenen Aufsätzen, die den Hörnern einer Gemse nachempfunden sind, stecken die spitz zulaufender, Stulpen der Panzerhandschuhe am Ende der Beinschienen, dort, wo die Schuhe sein sollten, und symbolisieren den Pferdehuf Satans. Folgt man der örtlichen Überlieferung, so hat ein junger Mann in dieser Rüstung den Namen der Heiligen Jungfrau Maria mißbraucht, als er an der Kirche vorbeiging. Hinterher mußte er feststellen, daß er die Rüstung nicht eher wieder ablegen konnte, bis er die Jungfrau inständig um Vergebung gebeten hatte. Er stiftete diese Rüstung als Danksagung der Kirche.

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