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Hans Heinz Ewers

Hans Heinz Ewers

Titel: Hans Heinz Ewers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geschichten des Grauens
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„Nimm mich mit!“
    „Wie bat sie dich?“ hatte Jan Olieslagers gefragt. Und Stephe sagte:
    „Sie bat.“
    „So bewegten sich ihre Lippen?“
    Stephe schüttelte den Kopf.
    „Dann bat sie mit den Augen?“
    Aber nein, nein – er hatte nie einer die Augenlider geöffnet, niemals.
    „Wie denn bat sie dich, Stephe? Wie denn?“
    Aber es kam keine andere Antwort. „Sie bat mich – sie bat.“
    Sie bat ihn – – da hob er sie auf. Trug sie durch die stillen Wege des Friedhofes, hinein in das Beinhaus. Legte sie nieder auf die alten Säcke –
    Das war ihr Hochzeitsbett.
    Aber viele Narzissen streute er darüber.
    Tote Frauen lieben die Blumen –
    Sie war die erste, diese Schwarze. Dann kam eine, die hieß Carmelina Gaspari – das war die, die ihm die Korallenkette gab.
    „Sie gab sie dir?“
    Stephe nickte.
    „Wie denn? Wie gab sie dir die Kette?“
    Das wußte er nicht. Hilflos suchten seine Blicke umher. „Sie – gab – sie – mir –“
    Und eine Blonde kam. Und eine mit roten Haaren. Eine, die Milewa hieß, eine –
    Sie brauchten nicht mehr zu bitten; Stephe wußte nun. Er ging hinaus in der Nacht, zu einem Grabe oder zur Kapelle. Nahm seine Beute, trug sie hinüber ins Beinhaus. Hielt sie für diese eine Nacht.
    Nie vergaß er, Blumen zu streuen. Und das war seltsam: Sie sagten ihm, welche Blumen sie wollten. Rosen wollte die eine, aber nur sehr rote. Und die andere: Lilien, hochstämmige, schneeweiße, die hinter des alten Pawlaczek Hause wuchsen. Jasmin verlangte eine, und wieder eine große Glocken von Wysterien, die rankten über die Steinmetzwerkstatt. Tiefblaue Iris von den alten Gräbern der Deutschen, Lindenblüten von dem Baume über ihrer Bank, Goldregen, der neben dem Tore wuchs –
    Aber nie, nie wollte eine Tuberosen.
    Sie .sagten’ es ihm – wie sie ihn .baten’, wie sie ihm .gaben’. Sie sprachen die Sprache der Toten – und Stephe verstand.
    Stephe war ein Kind, als er nach Andernach kam ins Ägypterland.
    Eine Frau machte einen Knaben aus ihm – die lebte fort in seinem Herzen – mit ihrer ,Güte und Schönheit, mit dem seltenen Liebreiz der Verblichenen’. Da sah er zum erstenmal mit staunenden Augen.
    Und ein Jüngling wuchs aus dem Knaben in den stillen Nächten in der Kapelle. Er lernte der Toten Träume.
    Nun war Stephe ein Mann – nun wußte er. Wußte sicher und stark.
    Da draußen – da mochte es anders sein. Das verstand er nicht. Das ging ihn nichts an, mochte es sein, wie es wolle. Seine Welt war hier – auf dem Friedhof von Andernach.
    Und diese Welt war nur für ihn geschaffen und gehörte nur ihm allein. Unbedingt und ohne Widerspruch.
    Er, Stephe, war ihr einziger Herr.
    Dann aber erschloß sich ihm ein neues Geheimnis.
    Er suchte nie, grübelte nie, wie das sein Freund tat, der Vlame. Wie die Blumen des Gräberparkes rings um ihn, so erschlossen sich ihm alle Rätsel. Die offene Rose lächelte ihn an, zu irgendeiner Stunde, eines guten Tages.
    Nie schien ihm etwas seltsam und wunderbar. Es war alles so einfach, so offenbar. Nur Blüten brachen auf: Das war alles.
     
    Und der Vlame dachte:
    Manche gibt’s, deren Liebe ist so stark, daß sie hinauswächst über das Leben, mitten hinein in das Reich des Todes. So stark, daß sie, für eine kleine Weile, die Toten wieder zurückruft ins Leben. Viele Dichter haben das besungen. Helge, der Hundingtöter, mußte zurück aus dem Totenland, zurück in den Hügel, in dem ihn Sigrun erwartete. Mußte, mußte, gezogen von ihrer großen Liebe. Einen Toten herzte die Gattin für eine Nacht.
    Und die Mutter im „Totenhemdchen“ fiel ihm ein, die ihr totes Söhnchen zurückrief Nacht um Nacht – grade wie Sigrun den Gatten. Lenore, die ums Morgengrauen aus wilden Träumen emporfuhr und den toten Wilhelm zurücksehnte ins Leben. Poes Schattengestalten Ligeia und Morella, die – seltsam! – nur andere Namen waren für seine „Lost-Lenore“.
    Jan Olieslagers brauchte die Sage nicht und die Dichtung. Er hatte oft genug gehört von solchen Fällen und kannte wenigstens einen selbst recht gut. Den seiner Base. Die war jung, kaum achtzehn, als ihr Mann, ein hübscher Leutnant, starb, beim Rennen verunglückte. Sie war als Witwe sehr still und ruhig, machte kein großes Getue, lebte so ihr Leben hin. Nur, an jedem Zwanzigsten des Monats, wenn der Abend fiel, schloß sie sich ein in dem kleinen indischen Zimmer ihres Elternhauses. Das war der Tag und war der Raum, da sie einst sich verlobt hatte. Und dann, wenn die

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