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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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Nur noch wenige Augenblicke, dann wäre sie ihre Tante los, fürs Erste zumindest.
    »In zwei Wochen sehen wir uns wieder, spätestens«, sagte Ilsebe zum Abschied und fügte mahnend hinzu: »Unterstehe dich, mir bis dahin Schande zu machen!«
    Für die Schande sorgt ihr schon selbst, dachte Henrike verbittert, sah ihre Tante aber ganz ruhig an.
    »Natürlich nicht, Tante«, antwortete sie artig.
    Nach Stralsund würden sie mindestens eine Woche brauchen, eher mehr. Tante Ilsebe musste Gespräche führen, das würde hoffentlich auch einige Tage in Anspruch nehmen. Und dann die Rückreise. Solange ihr Onkel nicht früher zurückkehrte, hätte sie endlich Zeit, sich um die Geschäfte zu kümmern.
    Während Mutter und Tochter umständlich einstiegen und Ilsebe noch dreimal kontrollierte, ob sie auch wirklich alles dabei hatten, bevor sie endlich, endlich losfuhren, stand Henrike zwischen den Beischlagwangen vor dem Haus und hielt den Schlüsselring fest umfasst. Jetzt würde sie Herrin dieses Hauses sein, so wie ihr Vater es sich für sie und Simon gewünscht hatte. Und sie würde nur das tun, was sie für richtig hielt.
    ~~~
    Am Abend stand Adrian Vanderen vor ihrer Tür. »Ich muss zugeben, dass mich Eure Nachricht erstaunt hat. Damit mein Besuch auch hochanständig verläuft, habe ich noch jemanden mitgebracht.«
    Margarete trat hinter ihm hervor. Henrike umarmte sie freudig und bat die beiden hinein. Die alte Frau sah sich in der Diele um, die ohne Wandbehänge und Silberzierrat kahl wirkte.
    »Hat sich Einiges verändert, seit der Herr tot ist«, sagte sie und küsste ihren einfachen Rosenkranz.
    »Ja, das hat es, Margarete. Leider«, stimmte Henrike ihr zu. »Aber ich hoffe, dass es noch nicht zu spät ist, um das Schlimmste zu verhindern. Wollen wir in die Schreibkammer gehen?«
    Adrian folgte ihr, doch die Köchin blieb in der Diele zurück. »Darf ich in die Küche?«, fragte sie.
    Henrike lächelte sie an. »Natürlich! Es ist doch eigentlich deine Küche. Aber nimm dich in Acht vor Janne, sie kann manchmal recht boshaft sein.«
    Sie folgte Adrian Vanderen in die Schreibkammer. Plötzlich stieg das Bild in ihr auf, wie sie ihn hier im Haus nach seiner Ankunft zum ersten Mal gesehen hatte. An Körper und Seele verletzt, sich mehr um seine Männer sorgend als um sich selbst. Doch zugleich hatte er etwas Verwegenes ausgestrahlt, das ihr gefallen hatte und das jetzt, wo er ein gut situierter Lübecker Kaufmann war, kaum aufblitzte. Als er ihr gegen den Betrüger geholfen hatte, war es allerdings wieder spürbar gewesen.
    »Ihr wollt also den Kampf gegen Hartwig Vresdorp aufnehmen?«, fragte Adrian Vanderen.
    Wieder fiel ihr auf, was für eine stattliche Erscheinung er war. Sein Haar glänzte, seine Haut war glatt, die geschwungenen Lippen wirkten weich. Die Ränder seiner Fingernägel waren sauber, und das, obwohl er, wie sie wusste, anpacken konnte. Er trug ein nachtblaues Wams, das sich an die breiten Schultern schmiegte und ausgezeichnet mit der Farbe seiner Augen harmonierte.
    Henrike hingegen trug zwar auch ein hübsches Kleid und war gepflegt, doch ohne fremde Hilfe gelangen ihr kunstvolle Aufsteckfrisuren nur schlecht. Schon jetzt lösten sich aus ihrem locker geflochtenen Haar erste Strähnen. Auch trug sie keinen Schmuck, wie man es vielleicht von einer Patriziertochter erwartet hätte, aber die Ringe und Ketten störten sie bei der Arbeit, und allein aus diesen geschäftlichen Gründen war er ja hier, bei ihr.
    Sie überlegte, welchen Stuhl sie ihm anbieten und wo sie selbst sich hinsetzen sollte. Sollte sie im Armstuhl des Vaters Platz nehmen? War der nicht zu groß für sie, stand er nicht eher Adrian zu? Andererseits war es auch ihre Schreibkammer. Schließlich zog sie zwei Stühle heran und ließ den Armstuhl unbesetzt.
    »So würde ich es nicht nennen. Aber ich kann nicht einfach so zusehen, wie Simon und mir alles genommen wird, was mein Vater erarbeitet und wofür er gelebt hat.« Prompt überfiel sie, wie so oft, die Sorge um ihren Bruder. Wie es Simon wohl ging?Hatte er die gefahrvolle Seereise schon überstanden? Vermutlich nicht. Bei günstigem Wind konnte eine Kogge Bergen zwar in vierunddreißig Tagen erreichen, hatte Bosse Matys gesagt, meist brauchte sie jedoch zwei bis drei Monate. Und ob er wirklich die Bergener Spiele durchstehen musste? Sie hatte inzwischen gehört, dass es brutale Spiele waren, die Neulinge zur Belustigung der Gesellen durchstehen mussten.
    Adrian schien ihre Gedanken

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