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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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nahm er ein Bündel heraus, aus dem ereinen Pelz löste. Etwas fiel mit einem leisen Klappern zu Boden. Sie bückten sich gleichzeitig danach, stießen aneinander. Das Licht fiel Henrike aus der Hand und erlosch. Henrike tastete den Lehmboden ab, der von den vielen Schritten und schweren Waren glatt und hart geworden war. Auf einmal fühlte sie Adrians Hände über ihren. Beide zuckten gleichzeitig zurück, verlegen lachend. Er war ihr so nah, dass sie seinen Atem spürte, der angenehm nach Kirsche duftete, und die Wärme seines Körpers. Wie er wohl reagieren würde, wenn sie über seine Hand streichen würde? Ob er sie in den Arm schließen, vielleicht sogar küssen würde? Oder würde er sie abweisen, weil sein Herz einer anderen gehörte?
    Da war der Leuchter! Sie erhob sich, bat Adrian zu warten und tastete sich durch die Finsternis des Kellers nach oben, um das Licht von Neuem zu entzünden. Wieder im Gewölbe angekommen, wandten beide ihre Aufmerksamkeit dem Knochenstück in Adrians Händen zu. Es war klein und pfeilförmig, hatte Widerhaken und war mit eingeritzten, runenförmigen Symbolen versehen. Es war eine Handelsmarke. Sie erinnerte sich, einen ganzen Sack davon in der Schreibkammer ihres Vaters gesehen zu haben.
    »Es ist das Symbol Eures Vaters. Man legt diese Handelsmarken zwischen die Ware, damit man den Besitzer ermitteln kann, falls einmal der Deckel mit der ausgehauenen Merke verloren geht, wie in diesem Fall. Das Fass fühlt sich klamm an, aber das kann auch von der Feuchtigkeit des Kellers herrühren. Erzählt mir doch noch einmal ganz genau, wie es hierherkam.«
    Sie berichtete von dem Streit zwischen Hartwig und Nikolas, den sie belauscht hatte.
    Anschließend bat Adrian, die Handelsmarke an sich nehmen zu dürfen. »Ich muss etwas klären lassen, dafür wäre sie sehr hilfreich«, sagte er geheimnisvoll.
    Anschließend sichteten sie die weiteren Waren, zu denen auchAsche aus den finnischen Wäldern gehörte. Zuletzt gingen sie in das Tuchlager. Die Regale waren erschreckend leer, die meisten der verbliebenen Ballen waren angebrochen oder verstaubt.
    Adrian prüfte die Waren, und nach einer Weile sagte er: »Ihr habt hier Poperinger Tuch und Lübisches Grauwerk. Die Ballen sind allerdings nicht aus Brügge, sondern Euer Vater muss sie woanders eingetauscht haben, in Riga vermute ich. Ihr könntet sie als Erstes verkaufen. Der Erlös dürfte reichen, um Garne zu kaufen   – und noch einiges mehr.«
    Henrike notierte sich alles eifrig, sah dann auf. »Woher wollt Ihr so genau wissen, woher das Tuch ist? Dem Namen nach ist es doch auch Flandrisches, oder?«
    »Seht Ihr hier die leichten Markierungen im Stoff? Sie zeigen die Länge einer Elle an. In Flandern ist eine Elle so lang«, er zeigte eine Entfernung vom Fußboden bis zu seiner Hüfte. »In Lübeck ist eine Elle weniger lang, in Riga so kurz wie eben bei diesem Stoff und in Nowgorod noch kürzer.« Mit jedem Ort sank seine Hand ein Stück weiter nach unten, bis sie schließlich etwa Kniehöhe erreicht hatte.
    »Das Gleiche gilt für die meisten Waren. So wird ein Schiffspfund Wachs in Nowgorod mit vierhundertachtzig Pfund gerechnet, in Livland zu vierhundert und in Lübeck nur zu dreihundertzwanzig Pfund.«
    Henrike kratzte schnell die Zahlen in die Wachstafel.
    »Diese unterschiedlichen Maße und Gewichte hängen mit der Entfernung zusammen. Je weiter eine Ware transportiert wird, desto mehr kostet es den Kaufmann. Um die Kosten für Schiffe, Zölle und Befrachtung aufzufangen, müssen Preise und Mengen angepasst werden.«
    »Wenn man das nicht weiß, kann man also leicht zu viel oder eben zu wenig bekommen. Es sei eben auch ein Unterschied, meinte mein Vater, ob ein Maß Roggen gerüttelt, gehäuft, niedergedrückt oder gestrichen voll ist«, sagte sie nachdenklich.»Es ist ebenso verwirrend wie mit dem Geld, auch damit muss man sich auskennen. Es gibt eben nicht nur lübische Gulden und Silberpfennige, sondern auch russischen Rubel, rigische Ore und die preußischen, flandrischen und englischen Währungen.«
    Adrian sah sie anerkennend an. »Ich sehe, Ihr kennt Euch schon ziemlich gut aus. Vermutlich könnt Ihr auch mit den silbernen Münzprobiernadeln und dem Goldprobierstein Eures Vaters umgehen?«
    Henrike nickte, endlich gab es etwas, womit sie sich auskannte. Oft hatte sie für ihren Vater überprüft, ob ein Silberpfennig tatsächlich genügend Silber enthielt.
    »Eine andere Möglichkeit, etwas zu verdienen, ist das Upgift«,

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