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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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Zehenspitzen vor ihr, reckte sich, um die Gaukler vor den Häuserwänden zu sehen. Doch die meistenMenschen überragten ihn, er starrte auf Bäuche, Schultern und Rücken. Henrike wurde angerempelt, roch den Schweiß fremder Menschen, fühlte sich bedrängt. Erst als sie die Breite Straße erreicht hatten, wurden die Abstände zwischen den Zuschauern größer. Henrike atmete auf und sog den Anblick förmlich in sich ein. An den Häusern flatterten bunte Fähnchen, Äste waren zum Schmuck an die Fassaden gebunden. Aus jedem Fenster sah man Menschen herausschauen, sogar auf Dachgiebeln saßen sie, um eine gute Aussicht zu haben. Spielleute und Possenreißer standen an den Straßenecken und unterhielten die Wartenden, Essen und Trinken wurde von Hökern feilgeboten.
    Sobald sie ihren Platz zwischen den anderen Patriziertöchtern am Burgtor erreicht hatte, verließ Jost sie wieder.
    Simon stellte sich auf die gegenüberliegende Straßenseite zu den Bürgersöhnen. Neben Simon hatte sich Vicus Diercksen eingefunden, der Sohn des Ratsherrn, ein dicker, aschblonder Kerl. Als er Henrike bemerkte, blinzelte er ihr zu, anschließend sagte er einige Worte zu seinen Kumpanen, die in Gelächter ausbrachen. Es war die Art Gelächter, die auf Henrike nicht sehr freundlich wirkte. Dazu passte, dass Simon rot wurde und etwas zu Vicus sagte, woraufhin dieser ihm einen groben Klaps gab. Simons Mütze fiel in den Dreck. Menschen, die freie Plätze suchten, trampelten achtlos darüber. Simon mühte sich, sie aufzuklauben. Die jungen Männer lachten erneut. Henrike brauste auf   – ein Kind so zu schikanieren! Es drängte sie, zu Simon zu laufen, ihn zu verteidigen. Aber damit würde sie es ihm nur noch schwerer machen. Er musste sich alleine behaupten. Doch kaum stand er wieder in der Reihe, triezte Vicus ihn weiter, schob ihm die Mütze vor die Augen, schubste ihn. Blass vor Wut schob der Junge sie zurück. Als seine Mütze erneut im Straßendreck landete, versetzte Simon Vicus einen so heftigen Stoß, dass der beleibte junge Mann ins Taumeln geriet und beinahe fiel. Zornrot stürzte er auf den Jungen zu und wollte gerade nach ihmschlagen, da drängte sich jemand neben Simon   – es war Adrian Vanderen. Scharf fuhr er Vicus an. Der junge Bürgersohn plusterte sich vor seinen Freunden auf. Wollte er es auf eine Schlägerei ankommen lassen? Henrike hielt die Luft an. Doch Adrian musste anscheinend nicht viel sagen, um sein Gegenüber zum Nachgeben zu bewegen. Diercksen ließ die Schultern hängen, und auch seine Freunde lachten nun nicht mehr. Sie versuchte, Adrians Blick einzufangen, zu gern hätte sie sich bei ihm bedankt, doch dieser hatte sich Simon zugewandt. Henrike bemerkte erleichtert, wie sich das Gesicht ihres Bruders wieder aufhellte.
    Da war auf einmal Telse neben ihr, nahm ihre Hand und zog sie in Richtung Straßenrand.
    »Aber von hier sieht man doch nichts!«, protestierte Henrike.
    Ihre Base reagierte gar nicht. Erst als sie ein leeres Plätzchen in einem Hauseingang gefunden hatten, wandte sie sich ihr zu.
    »Was ist denn los?«, wunderte sich Henrike. Telse neigte sich zu ihr.
    »Ich muss dir etwas Wichtiges sagen. Mit Eurem Hausgast stimmt etwas nicht«, flüsterte sie geheimnisvoll.
    »Was meinst du?«, fragte Henrike, reckte sich jedoch, um nach der Prozession zu sehen.
    Ihre Base zupfte unsanft an Henrikes Mantel. »Henrike, ich meine es ernst. Ich habe etwas Erschütterndes erfahren. Und weil du meine liebe Base bist, muss ich es dir offenbaren.« Sie hatte die Augen weit aufgerissen, um die Ungeheuerlichkeit dessen, was sie zu sagen hatte, noch zu unterstreichen.
    Jetzt hatte sie Henrikes Aufmerksamkeit für sich gewonnen. mit wild pochendem Herzen sah sie ihre Base an.
    »Man hört, er ist in unsaubere Geschäfte verwickelt. Hat Schulden, die er nicht zurückzahlt. Auch deinem Vater schuldet er Geld.«
    Henrike fühlte, wie ihr Mund trocken wurde. Adrian Vanderen hatte auf sie einen so guten Eindruck gemacht, und ihr Vater vertraute ihm. Konnte es wahr sein, was Telse über ihn sagte?
    »Woher weißt du das?«, fragte sie und sah Telse in die Augen, als könnte sie dort die Wahrheit ergründen.
    Telse schob vielsagend das Kinn vor. »Ich weiß es eben.«
    Henrike kannte ihre Base, solange sie denken konnte, und wusste, dass es keinen Sinn hatte, sie zu drängen. Die Mädchen waren gemeinsam mit den Steckenpferden um die Wette geritten und hatten mit Puppen gespielt. Gern hatte Henrike ihre Base auch in ihrem

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