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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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zu, ihr Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes.
    »Ihr seid hier nicht willkommen«, sagte sie statt einer Begrüßung zu Adrian.
    Jetzt reichte es Henrike. Entschlossen trat sie ihrer Tante in den Weg. Sie hatte Fragen an Adrian Vanderen. Sie wollte wissen, was es mit den Gerüchten auf sich hatte und wo er gewesen war, als ihr Vater gestorben war. Sie durfte nicht zulassen, dass ihre Tante ihn vertrieb. Henrike würde sich in ihrem Haus nicht das Heft aus der Hand nehmen lassen, schon gar nicht an diesem Tag.
    »Er ist hier willkommen. Mein Vater schätzte ihn, also hat er auch das Recht, an diesem Leichenschmaus teilzuhaben. Kommt, setzt Euch zu uns«, lud Henrike ihn ein. Sie schritt demonstrativ voraus an die Tafel, an der bereits ein Teil der Nachbarn und einige Handelspartner saßen. Die feisten Wangen ihrer Tante bebten vor Wut, aber sie ließ sie passieren.
    Margarete bediente den neuen Gast, auch vor die Geschwister stellte sie Teller mit Braten und Brot. Henrike war übel, doch sie zwang sich, zu essen. Dieses Mahl fand zu Ehren ihres Vaters statt, und alle, denen er etwas bedeutet hatte, sollten auch mit Leib und Seele daran teilhaben. Adrian faltete die Hände und murmelte ein Gebet. Zaudernd schnitt er mit seinem Silbermesser seine Scheibe Braten entzwei, spießte ein Stück Fleisch auf, führte es jedoch nicht zum Mund. Seine Trauer rührte Henrike an, am liebsten hätte sie seine Hand genommen. Gerade noch hatten sie beim Ratsball zusammen getanzt   – wie schön war dieser Abend gewesen! Und jetzt war alles anders. Ihr fielen die Heiratspläne ihres Vaters wieder ein. Was würde nun aus ihrer Verlobung werden? Wen hatte ihr Vater als ihren Bräutigam im Sinn gehabt? Was genau hatte er abgemacht? Würde sie das je erfahren?
    Andere Fragen waren noch dringlicher. Warum wollte ihre Tante Adrian Vanderen keinesfalls im Haus haben? Was war an dem Abend geschehen, als ihr Vater gestorben war? Noch bevor sie ihn darauf ansprechen konnte, erhob Adrian sich schon wieder. Es war wohl zu deutlich gewesen, dass er nicht willkommen war.
    Kurzerhand folgte sie ihm. Wer wusste schon, ob und wann sie ihn wiedersehen würde? Im Windfang hatte sie ihn erreicht, rannte ihn im Schutz der Vorhänge beinahe um. Trotz der Überraschung blieb Adrians Gesichtsausdruck düster. Er musterte sie, seine Augen wanderten über ihr verweintes Gesicht. Wie hässlich musste sie aussehen! Aber darauf kam es jetzt nicht an.
    »Was geschehen ist, bedauere ich sehr«, sagte er mit rauer Stimme. Was meinte er damit? Henrike spürte ihren Herzschlag schneller werden, ihre Anspannung wuchs. Ihre Tante könnte jeden Moment nach ihr rufen. Wenn sie etwas von ihm wissen wollte, musste sie es jetzt fragen.
    »Stimmt es, dass Ihr Schulden bei meinem Vater habt?« Sie bemerkte, dass ihre Worte geklungen hatten, als ob ihr Vater noch leben würde, und ihr Hals wurde wieder eng.
    Adrian Vanderen sah sie prüfend an. »Woher wollt Ihr das wissen?«
    »Meine Base erzählte mir davon.«
    »Eure Base? Traut Ihr Eurer Base mehr als dem Sachverstand Eures Vater?« Auch er sprach, als ob ihr Vater noch lebte. Sie war in einer misslichen Lage, schließlich wollte sie ihn nicht zu Unrecht beschuldigen, doch seine Worte befriedigten sie noch nicht.
    »Das ist keine Antwort. So stimmt es also?«, beharrte sie.
    Sein Gesicht näherte sich ihrem. Sie konnte seinen Atem spüren. Seine Augen blitzten. »Nein, es stimmt nicht. Jedenfalls nicht direkt. Was versteht Ihr von Handelsgeschäften?«
    »Nicht viel.«
    »Also haltet Euch besser an das, von dem Ihr etwas versteht, Jungfer Henrike.« Er wandte sich zum Gehen, sie aber war noch nicht fertig mit ihm.
    »Was ist geschehen, nachdem ich den Ball verließ? Warum seid Ihr hier, und mein Vater ist   ...«
    Die Antwort brach aus ihm heraus, bevor sie noch die Fragebeendet hatte: »Warum ich lebe und er tot ist? Das fragt besser den Allmächtigen!« Sein Zorn schüchterte sie ein.
    »Das meinte ich nicht   ...«
    »Glaubt Ihr etwa, ich hätte ihn umgebracht?«
    »Nein   ... ich   ...« Sie presste ihre Finger an die schmerzenden Schläfen. Was tat sie da? Ihr Vater hatte diesem Mann vertraut! Was gab sie auf böse Gerüchte? Sie war ja schon wie ihre Tante!
    Adrian Vanderen sah sie erschüttert an. »So denkt Ihr also über mich. Wie gut, dass Ihr mir Euer wahres Gesicht zeigt. Wenn ich bedenke, dass ich so gut wie verlobt mit Euch war! Der Tod Eures Vaters hat mich vor einem großen Fehler bewahrt!«
    Er

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