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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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sicheren Stand zu haben.
    Vor einigen Wochen hatten sie mit einem großen Lagerfeuer am Strand den kürzesten Tag des Jahres gefeiert und das Geburtsfest des Herrn begangen. Henrike hatte wehmütig an die letzte Christmette denken müssen, der sie mit ihrem Vater und Simon in der Marienkirche beigewohnt hatte. Damals war ihre Welt noch in Ordnung gewesen   ... Sie war froh, dass Asta sie wenigstens für kurze Zeit nach Lübeck begleiten würde. Sie ängstigte sich ein wenig vor der Rückkehr in das Vaterhaus und der Begegnung mit Nikolas und ihrem Onkel.
    »Reite ruhig noch einmal aus«, sagte Asta, als hätte sie ihre Gedanken erraten.
    Henrike wandte den Kopf. Asta half, Schicht um Schicht frisch gewebtes Leinen in Fässer zu legen. Die Stofflieferungwürde unerwartet für Hartwig kommen, sie würde ihm ihr Eintreffen versüßen.
    »Hem kann euch begleiten, Sasse brauche ich hier. Katrine würde ein Ausritt sicher auch guttun.«
    Katrine starrte sie an, die Seiten des Webstuhls, an dem sie seit Kurzem arbeitete, fest umklammernd. Der Überfall der Männer war inzwischen drei Monate her. Die Wunden des Mädchens waren verheilt, und es hatte sich glücklicherweise herausgestellt, dass sie nicht schwanger war, doch ihre seelischen Narben brannten noch immer. Wenn sie überhaupt hinausging, hielt sie sich immer in der Nähe des Hauses auf. Henrike ging zu ihr. Behutsam löste sie ihre Hände und zog sie zur Tür.
    »Komm doch, Katrine. Es ist so wunderschön da draußen. Und ich möchte noch einmal ans Meer, bevor ich abreise.«
    »Ich habe hier noch zu tun«, sträubte sich ihre Freundin.
    »Das kann warten«, meinte Henrike.
    Ein Schatten fiel über Katrines Gesicht. »Nein! Kann es nicht!«
    Henrike ließ sie los. Sie wollte sie nicht bedrängen, nicht zwingen. »Aber morgen bin ich schon weg. Ich wäre so gerne noch mal mit dir ausgeritten«, murmelte sie enttäuscht.
    Katrines Augen wurden groß, nervös spielte sie mit den Enden ihrer Zöpfe. »Aber Hem kommt mit, oder? Wo ist er denn nur?«
    Da trat Hem schon an die Tür, ihre Pferde am Zügel führend. Unauffällig tastete Henrike nach ihrem Dolch. Sie wollte Katrine nicht merken lassen, dass sie selbst auch noch immer eine leichte Angst verspürte.
    In gemächlichem Schritt ritten sie durch den Winterwald. Ein Schwarm Krähen flog schimpfend auf, ließ sich aber auf dem nächsten Baumwipfel nieder. Bald hatten sie die Ostsee erreicht, trabten eine Weile am Strand entlang. Hem folgte einige Schritte hinter ihnen. Der dickliche Knecht schien sich amSchreibpult wohler zu fühlen als auf dem Pferderücken. Katrine dagegen ritt inzwischen sehr sicher.
    »Du freust dich bestimmt darauf, deinen Bruder wiederzusehen«, sagte sie.
    »Ja, sehr. Ich hoffe, er ist wohlauf. Bist du sicher, dass du uns nicht begleiten willst?«
    »Ganz sicher«, antwortete das Mädchen schnell. »Ich traue mich ja kaum mit dir an die See. Was soll ich also in Lübeck? Nein. Ich bleibe hier bei Asta, Sasse und den anderen. Hier fühle ich mich wohl. Hier habe ich eine Aufgabe.« Sie sah Henrike so scheu an, wie sie es schon lange nicht mehr getan hatte. »Es sei denn, du bestehst darauf, Herrin.«
    Henrike lachte, dann bemerkte sie, dass Katrine es ernst meinte. »Nenn mich nicht so«, sagte sie.
    »Aber ich muss dich so nennen. Du bist meine Herrin.«
    Henrike ritt zu ihr heran, half ihr abzusteigen, legte die Hände auf ihre Halsbeuge. »Auch, wenn Simon und mir der Hof gehört, so möchte ich doch, dass du mich als deine Freundin betrachtest. Denn das bin ich.«
    Tränen standen in Katrines Augen. »Du weißt nicht, wie viel mir das bedeutet«, flüsterte sie lächelnd.
    Henrike umarmte sie fest. Doch, sie wusste es. Auch ihr bedeutete diese Freundschaft sehr viel. Während der Zeit auf Astas Gutshof war ihr Katrine sehr ans Herz gewachsen   – und ihr war bewusst geworden, wie sehr sich ihr Lübecker Leben um den Haushalt, die Geschäfte und die Familie gedreht hatte.
    »Sobald es dir besser geht, kommst du mich in Lübeck besuchen. Versprichst du das?«
    Katrine zögerte nur kurz, dann versprach sie es.
    ~~~
    Hem breitete feine Pelze über die hölzerne Bank des Schlittens. Dann legte er weitere Felle und Wolldecken bereit, in die sie sich hüllen konnten. Henrike verabschiedete sich herzlich von den Bewohnern des Gutshofes. Sie bedauerte, dass sie das Gehöft verlassen musste, aber sie wusste auch, dass es höchste Zeit war. Der Knecht lud noch ein Paket auf, dann bestieg er den

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