Happy End im Mondpalast
einen Moment brauchte, um es zu verstehen. Eine bis in den Himmel reichende Wand aus Sand schien auf sie zuzukommen. Khal strengte seinen Hengst nicht umsonst so an. Es ging um sein Leben. Er wollte in der Ruine Schutz suchen, und dasselbe musste sie tun.
Beth war nie drauflosgaloppiert, aber jetzt hatte sie keine Wahl, wenn sie nicht vom Sand verschluckt werden wollte. Sie legte die Schenkel an, beugte sich weit vor und griff in die Mähne des Tiers, um zusätzlichen Halt zu haben. Es war schwer, die Richtung einzuhalten, denn die Wand hatte sie inzwischen eingeholt. Plötzlich tauchte ein Schatten vor ihr auf. Khal! Er hatte sie gesehen und war umgekehrt, um sie zu retten. Beth schluchzte auf vor Erleichterung. Khal winkte ihr warnend zu und zeigte auf das Fort. Mit seinen Maueröffnungen versprach es wenig Schutz, aber es war ihre einzige Hoffnung. Zum Palast umzukehren, hätte bedeutet, direkt in den Sandsturm hineinzureiten.
Die Stute strengte sich gewaltig an. Sie hatte die Ohren angelegt und verdrehte die Augen. Das Tier wusste ebenfalls, dass es um Leben und Tod ging. Es durfte das Rennen nicht verlieren.
„Fall nicht runter!“, rief Beth sich selbst zu, während der Sand ihr schon ins Gesicht peitschte und ihr Tränen in die Augen trieb. Es donnerte immer lauter, und sie war nahe daran, die Hoffnung zu verlieren.
Doch Khal hatte sie inzwischen erreicht und galoppierte neben ihr her. „Lass die Steigbügel los!“, rief er ihr zu.
Sie sollte die Füße aus den Steigbügeln nehmen? War er verrückt? Sie würde im selben Augenblick herunterfallen!
„Lass mich!“, rief sie zurück. „Rette dich selbst. Ich komme nach!“ Sie wussten beide, dass ihr das nicht gelingen würde, aber um Hanas willen musste einer von ihnen am Leben bleiben.
„Tu, was ich sage!“, schrie Khal, beugte sich zu ihr hinüber und ergriff ihre Zügel, sodass die Pferde dicht nebeneinanderher galoppierten.
Beth warf ihm einen verzweifelten Blick zu. Wenn sie nicht mitkam, würde er bei ihr bleiben, das wusste sie. Er würde keinen Versuch machen, sich zu retten. Sie zog ihre Füße aus den Steigbügeln und schrie auf, als Khal sie um die Taille fasste und zu sich herüberzog. Der Hengst machte einen Satz nach vorn, als spürte er die Herausforderung. Die Stute war von ihrer Last befreit und galoppierte vorneweg.
Beth war starr vor Schock und Erleichterung. Khal hielt sie vor sich im Sattel und raste weiter auf das Fort zu. Dabei schrie er und schlug den Hengst mit den Zügeln, um das Äußerste aus ihm herauszuholen. Beth wusste nicht, ob sie überhaupt noch atmete. Erst als sie das Fort erreichten und den gewölbten Eingang hinter sich hatten, bekam sie wieder Luft. Aber der Sand folgte ihnen auch hierher und trieb sie tiefer in das Ruinenlabyrinth hinein.
Khal sprang ab und zog Beth mit sich. Dann fasste er beide Pferde am Zügel und führte sie und Beth hinter eine Mauer, die leidlichen Schutz bot.
Beth drückte sich gegen die Steine, um vom Sturm nicht umgerissen zu werden. „Du hast mir das Leben gerettet“, keuchte sie atemlos.
„Noch nicht.“ Khal nahm ihren Kopf zwischen beide Arme und schützte sie mit seinem Körper. „Was hattest du allein hier draußen in der Wüste zu suchen?“, fuhr er sie an. „Weißt du nicht, wie gefährlich das ist?“
Nein, das wusste Beth nicht, aber sein wilder Gesichtsausdruck verriet ihr, dass er an einen ähnlichen Unfall zurückdachte, dessen schrecklicher Ausgang ihm die Seele genommen hatte.
„Es tut mir leid.“
„Leid? Du hättest tot sein können!“
„Khal, bitte. Ich weiß, ich hätte das nicht …“
„Du weißt gar nichts!“, unterbrach er sie heftig, und sein Gesicht verzerrte sich noch mehr. Beth streckte die Hände nach ihm aus, aber er wich vor ihr zurück. „Das Leben ist kostbar.“
„Vergib mir.“
Khal wollte ihr Mitgefühl nicht. „Wenn wir Glück haben, ändert der Sturm die Richtung und verschont uns“, erklärte er.
Damit war alles gesagt! Dabei hätte Beth so gern die richtigen Worte gefunden, um seine Seelenqual zu lindern.
Der Sturm änderte die Richtung nicht, sondern trieb Sand und Staub weiter in ihr Versteck. „Hier“, sagte Khal und band sich das Halstuch ab. „Schütze damit die Augen deines Pferdes.“ Er riss sich das Hemd vom Leib und wickelte es dem Hengst um den Kopf. Dann zog er Beth an sich und drückte ihren Kopf an seine Brust.
„Du hast mir das Leben gerettet“, wiederholte sie so leise, dass er es nicht hören
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