Harald Glööckler - Glööckler, H: Harald Glööckler
habe intensiv geträumt, und in meiner Erinnerung an den Traum hat sich ein Bild festgesetzt: Eine Frau im barocken Kleid mit einem überdimensionalen Kopf, aus ihren Haaren wachsen Schlangen. Im Hintergrund der Szene steht ein Mann mit einer Maske. So wie man immer selbst am besten seine Träume deuten kann, weiß ich instinktiv, dass dieser Maskierte ein Sinnbild für einen Mann ist, der nur das Äußere einer Frau sieht. Eines Mannes, der nicht erkennt, ob sich hinter der äußeren Erscheinung seiner Geliebten Schlangen verbergen oder ob sie ein großes Herz hat. Er ist blind vor Liebe. Ich bin todmüde, aber ich weiß, ich werde dieses Bild vergessen, wenn ich es nicht sofort umsetze. Es ist wie ein innerer Auftrag. Also quäle ich mich aus dem Bett und suche in der ganzen Wohnung nach Farben. Ich finde einen alten Malkasten und Papier. Und dann male ich bis zur Morgendämmerung.
Wehmütig verpfändete ich nun einige meiner Brillantringe, was zum Glück genau die paar Tausend Mark brachte, die wir brauchten, um die Kaution und die erste Miete für das Ladenlokal aufzubringen. Auf diese Weise steckten wir fast den letzten Pfennig in die Galerie – genau 100 Mark waren anschließend noch übrig. Zu wenig für eine Vernissage mit Party zur Eröffnung. Doch nun zeigte sich mal wieder, dass wir unglaublich tolle Freunde hatten. Unsere Freundin Dragana, eine Gastronomin, die mehrere Gay-Clubs in Stuttgart besitzt und sich sozial sehr stark engagierte, bot uns an, ein Catering zu spendieren. Dragana ist eine gebürtige Rumänin und das, was man eine »weiße Hexe« nennt. Sie war mir mehr als einmal eine Stütze inschwierigen Zeiten. Als perfekte Zuhörerin stand sie mir mit Rat und Tat zur Seite. Hin und wieder ließ ich mir von ihr die Karten legen um einen Blick in die Zukunft zu wagen. Dragana hat feuerrote Haare, die sie zu einer dramatischen Hochfrisur auftürmt. Man nennt sie auch »Die Königin der Nacht«, und das zu Recht. Und so luden wir ein – zwar etwas kleiner als gewohnt, aber es bewegte sich was.
Das Minimalbuffet tat der Stimmung keinen Abbruch: Tout le monde war erschienen und feierte mit uns in der winzigen Bude unsere Rückkehr aus Sindelfingen nach Stuttgart – und vor allem unseren Willen, uns nicht unterkriegen zu lassen. Die Künstler vom Renitenztheater, treue Kunden und neugierige Nachbarn quetschten sich wie die Sardinen in den winzigen Raum. Und was viel wichtiger war: Viele Freunde, ohne die das Leben furchtbar wäre. Albert und Iris sind zwei solche Freunde. Albert ist ein renommierter Arzt aus guter Familie. Er sieht aus wie ein arabischer Scheich. Seine Lebensgefährtin Iris ist eine hinreißend schöne Frau und außerdem eine begnadete Malerin und Fotografin. Beide sind sehr kunstinteressiert und kauften gleich drei meiner Gemälde. Sie gefielen ihnen sicher, doch das war, glaube ich, nicht der ausschlaggebende Punkt. An diesem Abend kauften sie wohl eher, um uns zu unterstützen. Eine großartige Geste.
Wer nicht mehr reinpasste in die kleine Galerie, wartete in einer großen Traube vor der Tür, bis die Gäste drinnen es nicht mehr aushielten und dringend frische Luft schnappen mussten. So blieb die ganze Chose schön in Bewegung.
Mit dabei war natürlich auch die Presse. Jeder Sender, von Sat.1 über RTL bis hin zu den Lokalsendern der ARD, hatte ein Kamerateam geschickt, um den Beginn der »neuen Karriere« des »Modeprinzen Glööckler« zu dokumentieren. Um dem Auflauf gerecht zu werden, hatte ich mit meinem Styling mal wieder richtig auf die Tube gedrückt: Mein Kopf war kahl rasiert, ich trug einen wallenden indischen Kaftan aus durchsichtigem Chiffon, darunter nur einen String und an den Füßen Plateauschuhe. Ich fühlte mich so richtig shocking !
Um diesen Aspekt noch zu unterstreichen, hatten Dieter und ich als besondere Attraktion des Abends einen Studenten engagiert, der sich fast nackt mit Lederharnisch und Plateauschuhen unter die Leute mischte. Immer, wenn irgendeine der anwesenden Damen oder einer der Herren bei seinem Anblick fasziniert aufkreischte, behaupteten wir, wir hätten den Jungen extra aus dem Lido in Paris einfliegen lassen. Ob uns das jemand abgenommen hat, weiß ich nicht, aber es war lustig, die Reaktionen zu beobachten. Nicht nur Dieter und ich hatten Spaß: Die Gäste tanzten bis zum Morgen, zum Teil auf der Straße. Und als irgendwann der ganze Sekt ausgetrunken war, lief irgendwer zur Tankstelle und besorgte neuen. Die Party wurde
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