Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt
waren pitschnass, unsere Haare waren durcheinander, und das grelle Licht trieb uns die Tränen in die Augen. So sehen Bahnangestellte nicht aus. Doch läuft sonst jemand freiwillig durch U-Bahn-Tunnel?
Wir sahen zu, dass wir, bevor die Leute ihre Schlüsse zogen, zur Sperre kamen. Erst da fiel mir ein, dass wir keine Fahrkarten hatten. »Wir haben keine Fahrkarten«, sagte ich.
»Sag, wir hätten sie verloren, wir zahlen nach«, sagte das Mädchen.
Ich sagte dem jungen Mann an der Sperre, dass wir unsere Fahrkarten verloren hätten.
»Haben Sie auch gut nachgeschaut?«, sagte der Mann. »In den vielen Taschen! Schauen Sie doch noch mal!«
Wir durchwühlten alle unsere Taschen. Der Mann an der Sperre beäugte uns misstrauisch.
Ich sagte, die Karten wären wirklich weg.
»Wo sind Sie denn zugestiegen?«
Ich sagte, in Shibuya.
»Wie viel haben Sie bezahlt, von Shibuya bis hier?«
Ich sagte, ich hätte es vergessen. »120 oder 140 Yen, so was.«
»Sie wissen es nicht mehr?«
»Ich war in Gedanken«, sagte ich.
»Sie sind wirklich in Shibuya zugestiegen, ja?«
»Das ist doch der Bahnsteig für Züge von Shibuya, oder etwa nicht! Wo sollen wir denn sonst herkommen?«, gab ich zurück.
»Man kann auch von dem anderen Bahnsteig hierher. Und die Ginza-Linie ist lang, nicht wahr? Beispielsweise kann man mit der Tozai-Linie von Tsudanuma bis Nihombashi, dort umsteigen und dann bis hier!«
»Tsudanuma?«
»Beispielsweise«, sagte der Mann an der Sperre.
»Wie viel kostet es denn von Tsudanuma aus? Ich zahle. Das geht dann in Ordnung, ja?«
»Sie sind in Tsudanuma zugestiegen?«
»Nein«, sagte ich. »Ich war noch nie in Tsudanuma.«
»Warum wollen Sie dann Tsudanuma – Aoyama Itchome zahlen?«
»Weil Sie es gesagt haben.«
»Ich sagte beispielsweise, oder nicht?«
Die nächste Bahn kam an, ungefähr zwanzig Leute stiegen aus und gingen durch die Sperre, hinaus, ins Freie. Ich sah ihnen zu. Nicht einer war dabei, der keine Fahrkarte gehabt hätte. Danach nahmen wir wieder unsere Verhandlung auf.
»Von wo aus soll ich denn bezahlen? Womit wären Sie zufrieden?«, fragte ich.
»Von da, wo Sie zugestiegen sind«, sagte der Bahnmann.
»Shibuya, das sagte ich doch!«, sagte ich.
»Aber Sie wissen das Fahrgeld nicht mehr!«
»Ich vergesse so was immer«, sagte ich. »Oder wissen Sie, was ein Kaffee bei McDonald’s kostet?«
»Ich trinke keinen McDonald’s-Kaffee«, sagte der Mann. »Das ist rausgeschmissenes Geld.«
»Nur beispielsweise «, sagte ich. »Solche kleinen Sachen vergisst man doch immer!«
»Jedenfalls wollen alle, die ihre Fahrkarte verloren haben, immer zu wenig bezahlen. Alle kommen zu der Sperre auf dieser Seite, alle sind sie in Shibuya zugestiegen. Alle!«
»Ich sagte doch, ich zahle, von wo Sie wollen. Wo soll ich denn zugestiegen sein?«
»Woher soll ich das denn wissen?«
Ich legte ihm, da mir diese fruchtlose Auseinandersetzung auf die Nerven ging, einen Tausend-Yen-Schein hin und ging einfach raus. Wir hörten ihn hinter uns herrufen, kümmerten uns aber nicht darum. Bald würde die Welt untergehen, was sollte ich mich da lange um ein oder zwei U-Bahn-Tickets scheren. Ich nahm sowieso fast nie die U-Bahn.
Draußen regnete es. Ein nadelfeiner Regen, die Erde und die Bäume waren durch und durch nass. Wahrscheinlich hatte es die ganze Nacht über geregnet. Der Regen stimmte mich ein bisschen traurig. Heute war mein letzter, kostbarer Tag. Ich wollte keinen Regen. Ich wollte ein, zwei Tage hellen Sonnenschein. Danach könnte es meinetwegen einen Monat lang schütten wie in den Romanen von J. G. Ballard, das wäre mir egal. Ich wollte mich unter der Sonne ins Gras legen, Musik hören und ein kaltes Bier dazu trinken. War das zu viel verlangt?
Allerdings sah es nicht so aus, als würde der Regen bald nachlassen. Wolken von einem Grau, als wären sie mit mehreren Lagen Frischhaltefolie umwickelt, verhängten den ganzen Himmel; es nieselte unaufhörlich. Ich hätte mir gerne eine Zeitung gekauft, um den Wetterbericht zu lesen, hätte dafür aber bis zum U-Bahn-Kiosk zurückgehen müssen und eine erneute fruchtlose Auseinandersetzung mit dem Mann an der Sperre riskiert. Also verzichtete ich auf die Zeitung. Der Tag fing nicht besonders gut an. Welcher Wochentag war, wusste ich auch noch nicht.
Die Leute hatten alle Schirme. Das Mädchen und ich waren die Einzigen ohne. Wir stellten uns irgendwo unter und starrten lange in die Gegend, als hätten wir die Ruinen der Akropolis vor
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