Hard Man
Wasserflasche hoch.
Das war schlimmer, als noch mal zusammengetreten zu werden. Durst war gar kein Ausdruck, verdammt. Pearce merkte, dass er sich die Lippen leckte, und ließ es bleiben.
Wallace hatte es allerdings auch bemerkt. Er lächelte. »Ich wird den Riemen über deiner Brust abmachen«, sagte er nach einer Sekunde. »Dann kannst du dich aufsetzen. Und ‘nen ordentlichen Schluck trinken.«
»Die Hände auch.«
»Seh ich aus, als war ich bescheuert?«, sagte Wallace. »Wie heißt du?«
Scheiße, das war die üble Tour. Revanche für die Jesus-Geschichte. »Das weißt du doch.«
»Würd ich fragen, wenn ich’s wüsste?«
»Ich sag’s dir, wenn du mir sagst, wen du da in den Käfig gesperrt hast.«
»Laut Kreditkarten in deiner Brieftasche heißt du Pearce. Gordon Pearce.«
Pearce hasste Psychospielchen. Da verlor er immer. »Du hast in meinen Taschen geschnüffelt?«
»Wie hätte ich widerstehen können?«
»Kann ich was haben«, sagte Jesus.
»Ich hab nicht gesagt, dass du reden sollst«, fuhr Wallace ihn an.
»Er kann’s gerne haben«, sagte Pearce. »Magst du keinen Tee, Pearce?«
Tee? Das war Tee? Schon möglich. Aber wieso sollte er sich die Mühe machen, Tee zu kochen? Was war gegen Wasser einzuwenden? Tee. Bei dem Gedanken lief Pearce das Wasser im Mund zusammen, gerade als er schon gedacht hatte, der Speichel sei ihm endgültig eingetrocknet. Und dabei mochte er Tee nicht mal.
Wallace machte den Riemen los und sagte: »Setz dich auf.«
Pearce schaffte es, den Kopf etwa dreißig Zentimeter zu heben. Genug, um sich nicht zu verschlucken.
Wallace legte ihm eine Hand in den Nacken, um ihn zu stützen. Setzte die Wasserflasche an seinem Mund an.
Pearce schnüffelte und versuchte herauszufinden, was sich in der Flasche befand. Zu sehen, ob Wallace wirklich Spielchen spielte. Hoffte wider alle Hoffnung, dass es wirklich Tee war, verdammt.
Nicht zu sagen. Der andere Gestank war immer noch zu übermächtig.
»Du hast fünf Sekunden«, sagte Wallace. »Wenn du nicht willst, geb ich’s Jesus.«
Jesus. Genau. »Wieso ist er hier?«
»Hmm. Jesus war ungezogen.«
»Was hat er gemacht?«
»Willst du keinen Tee?«
»Ich trink ‘nen Schluck. Was hat er gemacht?«
»Sag’s Pearce, Jesus.«
Jesus fing an zu schluchzen. »Es tut mir leid.«
»Das weiß ich. Aber sag Pearce, was du gemacht hast.«
Jesus’ Schluchzen wurde lauter. »Ich kann nicht.«
»Oh, du kannst schon. Du musst sogar.«
Zwischen schweren Schluchzern stieß Jesus die Worte hervor: »Ich hab mit May geschlafen.«
Aha, der Freund. Der Trottel, der May geschwängert hatte. Dann war Jesus so gut wie tot. »Was hast du mit ihm vor?«, sagte Pearce zu Wallace.
Wallace seufzte. »Was hab ich mit dir vor, Jesus?«
Jesus brach laut heulend zusammen.
»Nicht mehr viel übrig vom harten Mann.« Wallace ging zu dem Käfig und trat dagegen. Jesus hielt den Mund. Okay, er jammerte weiter, aber leise. »Fand sich mal ganz toll, der da«, fuhr Wallace fort. »Hat’s mit jedem aufgenommen, solange er ‘n Messer hatte und sein Gegner nicht. Aber als May mir erzählt hat, dass er Gedichte schreibt, da wusste ich, was für ’n Weichei das ist. Scheißgedichte.« Er trat wieder gegen den Käfig, und Jesus hörte auf zu jammern. »Antworte auf die Frage«, sagte Wallace. »Sag Pearce, was ich mit dir vorhabe.«
Kurz darauf sagte Jesus: »Wenn es so weit ist, will Wallace mich kreuzigen.«
Verdammte Scheiße. »Und wann ist es so weit?«, fragte Pearce.
»Sehr bald«, ließ Wallace ihn wissen. »Das Holz hab ich schon besorgt. Und das Werkzeug auch. Das bring ich später alles runter und richte mir ‘ne Stelle zum Schreinern ein. Dann mach ich ein schönes Kreuz und stell’s da an der Wand auf, damit du von deiner Bank aus ‘nen Logenplatz hast.«
Pearce lag also auf einer Bank, keinem Bett. Pearce freute sich kurzfristig, dass Wallace etwas rausgerutscht war, bis ihm klar wurde, dass sich dadurch nicht das winzigste bisschen änderte.
»Also«, sagte Wallace, »willst du jetzt den Tee, oder muss ich das ganze Zeug diesem stinkenden, bärtigen Wichser in die Kehle schütten?«
Scheiß drauf. Pearce hatte zu großen Durst. Er musste es probieren. Er legte den Mund um die Öffnung und sog. Ließ nur ein paar Tropfen in den Mund rinnen. Lauwarm. Wartete eine Weile, bis seine Geschmacksknospen ansprachen. Fragte sich, ob er gerade den Mund voll Scheiße genommen hatte. Aber nein, es war Tee. Womöglich der scheußlichste Tee,
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