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Hard News

Hard News

Titel: Hard News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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vom Haken und zog sie ihr über.
    »Spielen wir ein Spiel?«, fragte die Kleine.
    »Klar«, sagte Rune und drängte sie auf den Flur hinaus, »es heißt Kidnapping.«
     
    Der Gefängnishof war aufgeteilt.
    Genau wie die Stadt, dachte Randy Boggs, als er um neun Uhr früh im Freien herumlungerte. Genau wie das Leben. Die Schwarzen auf der einen Seite, die Weißen auf der anderen, außer beim Basketball.
    Die meisten Schwarzen waren jung. Viele trugen Tücher oder abgeschnittene Nylons auf dem Kopf. Sie standen beisammen. Stark, groß, schlaksig.
    Jau, Jungs, stellt ’n Krach ab.
    Iswaslos?
    Meine Bude. Hab ich euch von meiner Bude erzählt?
    Klar doch.
    Die Weißen waren älter, grausamer, humorlos. Sie sahen übel aus – das lag an den längeren, ungepflegten Haaren, der bleichen Haut. Auch sie standen beisammen.
    Schwarz, weiß. Genau wie die Stadt.
    Viele Männer betrieben Krafttraining. Gewichte waren vorhanden, wenngleich die Hierarchie eine demokratische Nutzung durch alle Häftlinge nicht zuließ. Trotzdem wurde überall gestemmt und gewuchtet. Muskelaufbau im Gefängnis. Boggs jedoch hatte aus dem Krafttraining keinen Fetisch gemacht. Dies hätte bedeutet, dass er anerkannte, wo er war. Wenn er nicht für die 15-Kilo-Hantel anstand, war er vielleicht woanders.
    » Amazing grace, how sweet thou art … «
    Ein schwarzer A-cappella-Gospelchor übte im Hof. Sie waren ziemlich gut. Als Boggs sie zum ersten Mal gehört hatte, waren ihm fast die Tränen gekommen. Jetzt hörte er einfach nur zu. Die Gruppe würde nicht mehr lange bestehen. In zwei, vier, bzw. dreizehn Monaten würden sie sich trennen.
    » I o nce was lost but now I’m found … «
    Die Sänger begannen einen zweiten Vers, und jemand in der Nähe brüllte: »He, Schluss mit dem Scheiß!«
    Er roch Kaminrauch. Er versuchte, nicht daran zu denken, wann er zum letzten Mal vor einem Kamin gesessen hatte. Dachte an das Mädchen aus New York. Das kleine Mädchen mit der großen Kamera.
    Schweigend saß er da. Er rauchte, obwohl er, seit er drinnen war, den Geschmack am Rauchen verloren hatte. Er hatte an vielem den Geschmack verloren. Er saß fünf Minuten lang da und dachte über das Mädchen nach, die Story, das Gefängnis, den Himmel, bevor ihm auffiel, dass die Häftlinge, mit denen er zusammengesessen hatte, nicht mehr in seiner Nähe waren.
    Boggs wusste, warum sie sich verzogen hatten, und er spürte, wie seine Haut vor Angst knisterte.
    Severn Washington war krank. Hatte ’ne üble Grippe gekriegt, die ganze Nacht lang gekotzt und war jetzt auf der Krankenstation. Wenn Boggs das wusste, dann wussten es alle.
    Er schaute sich im Hof um und sah den Mann sofort. Juan Ascipio war wieder da.
    Er trug ein rotes Stirnband und eine Trainingsjacke über seinem Overall. Zwei andere Häftlinge gingen neben ihm. Ascipio war ein Neuer, ein Dealer, der für den Mord an zwei Konkurrenten verurteilt worden war. Er war nicht groß und hatte ein Gesicht, mit dem er, wenn er lächelte, Kindern Vertrauen einflößen konnte. Aber die Augen, hatte Boggs bemerkt, waren eiskalt.
    Die drei machten neben einer hohen Mauer aus roten Ziegeln Halt, etwa fünf Meter vor der Stelle, wo Boggs saß. »He, Mann«, sagte Ascipio. »Hier. Jetzt.«
    Boggs schaute ihn an, stand aber nicht auf.
    Ascipio deutete auf einen kleinen schattigen Fleck, der nicht im Blickfeld der Türme lag. Die Häftlinge nannten ihn ›Liebespfad‹.
    Ascipio trat in den Schatten und öffnete seinen Hosenschlitz. »He, Mann, ich red mit dir. Biste taub, oder was?«
    »He, Mann«, sagte sein Freund, »runter auf deine Scheiß-Knie. Ich mach dich alle, Mann. Tu’s, dann bleibste leben. Der große Nigger is nich da, um dir dein’ Knackarsch zu retten.«
    Der andere: »Komm schon, Mann. Na los!«
    Boggs erwiderte ihren Blick. »Ich glaub nicht, dass ich das mache«, sagte er. Er schätzte die Entfernung zum nächsten Wärter ab. Es war eine lange Strecke. Die anderen Häftlinge waren alle mit äußerst wichtigen Dingen beschäftigt.
    Das wird übel ausgehen.
    Ascipio spuckte aus. »Glaubste nich? Hat der Wichser gesagt, er glaubt, er macht’s nich?«
    Dann senkte Boggs die Augen auf die eigene rechte Hand, die auf seinem Knie ruhte. Er schaute ihn fest an. Ascipio folgte dem Blick.
    Ein langer Fingernagel.
    Er wuchs immer weiter. Zwei Zentimeter, sechs, zehn, vierzehn. Boggs schaute ihnen wieder in die Augen. Einem nach dem anderen; ihm schwirrte der Kopf.
    Severn Washington hatte es ihm am Abend zuvor

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