Hard News
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Aus dem japanischen 13-Zoll-Fernsehmonitor heraus erzählte Randy Boggs in schlecht eingestellten Farben mit einem Überschuss an Rot seine Lebensgeschichte.
» Bessere Möglichkeiten. Ich hatte Angst, weil ich dachte, wir müssten sterben – weil ich das › Land der besseren Möglichkeiten ‹ mit dem › Gelobten Land ‹ verwechselt hatte und aus der baptistischen Kirche des Tags der Auferstehung wusste, dass damit der Himmel gemeint ist. Ich war damals fast elf und gläubig. Okay, ich hab mir da in der Schule ’n paar ordentliche blaue Flecke geholt. Wenn irgendwer, irgend ’n älterer Junge mal › Gottverdammich ‹ gesagt hat, dann wurd ich fuchsteufelswild und hab ihn gezwungen, sich zu entschuldigen, und die Folge war, dass ich öfter, als ich mich erinnern kann oder will, windelweich geprügelt worden bin. «
Ein Videoband zu schneiden war hundertmal einfacher als beim Film. Es war ein elektronischer, kein mechanischer Vorgang, und Rune fand, dass dies einen unglaublichen zivilisatorischen Fortschritt darstellte – der Übergang von Dingen, bei denen man sehen konnte, wie sie funktionierten, zu Dingen, bei denen man nicht sehen konnte, was sie zum Laufen brachte. Sie mochte das, denn es war ähnlich wie Zauberei, an die sie glaubte, wobei der einzige Unterschied darin bestand, dass man für Zauberei keine Batterien brauchte. Die Mühelosigkeit des Schneidens löste allerdings nicht ihr Problem: dass sie viel zu viel gutes Material hatte. Tausende und Abertausende von Metern. Das Material, das sie gerade vor sich hatte, stammte vom ersten Interview mit Boggs, und alles daran war so ausdrucksstark, dass sie nicht wusste, was sie herausschneiden sollte.
»… Egal, jedenfalls sind wir nicht im Himmel gelandet, sondern in Miami, und da boten sich vielleicht Möglichkeiten … Mann, das sah Daddy wieder mal ähnlich. Das war direkt nach Batista, und alles war knackevoll von Kubanern. Wissen Sie, ich hab jahrelang keine Hispanos mehr ausstehen können. Aber das war bescheuert, denn vor ein paar Jahren war ich unten in Mittelamerika – das einzige Mal überhaupt, dass ich im Ausland war, – und ich fand’s toll. Egal, ich hab ja erzählt, wie’s davor war, als ich Kind war, und ich hab diese reichen Kubaner gesehen, die nicht mehr reich waren, und das ist die traurigste Sorte von Mensch, die’s gibt. Man kann an seinem Gang sehen, was er verloren hat, und daran, wie er aussieht, und an dem Auto, das er jetzt fährt und das nicht annähernd so schön ist wie das, das er früher hatte. Aber die Sache war die, dass die angefangen haben, die Jobs abzugreifen, die eigentlich wir weißen Leute hätten kriegen müssen. Ich mein das gar nicht rassistisch. Aber die Kubaner haben für so gut wie nichts geschuftet. Mussten sie auch, wenn sie arbeiten und ihre Familien ernähren wollten. Und die waren riesig, ich hab noch nie so viele kleine Scheißer in ’ner einzigen Familie gesehen. Ich hatte gedacht, mein Daddy wär übel. Der rollte praktisch einmal über Mama drüber und zack war sie schwanger. Zu Hause hatte ich sechs Schwestern und zwei Brüder, und einen Bruder hab ich in Vietnam verloren, und eine Schwester ist an Gebärmutterkrebs gestorben …
Daddy hatte ’nen Sinn für Technik, aber er hat sich nie angestrengt. Ich bin da das glatte Gegenteil. Sie bezahlen mir was, und ich reiß mir den Arsch auf für Sie. Ich mag das Gefühl zu arbeiten. Wenn ich nicht arbeite, werden meine Muskeln ganz fickerig. Aber ich bin nicht gut im Rechnen. Mein Daddy war laufend arbeitslos. Mein ältester Bruder hat sich bei den Marines verpflichtet, und da ich fast sechzehn war, hab ich drüber nachgedacht, das auch zu machen, hab aber stattdessen angefangen zu arbeiten. «
Die Berufe von Randy Boggs: Lagerarbeiter, dann Marktschreier, dann Karussellbetreiber, dann Kehrer in einem Piggly-Wiggly, dann Hot-Dog-Verkäufer an der Autobahn bei Cape Kennedy (wo er den Start der Apollo zum Mond sah und dachte, er würde vielleicht gerne Pilot werden), dann Aushilfslagerist, dann Fischer, dann Hausmeister, dann Koch.
Dann Dieb.
» Einmal war ich mit Boonie in Clearwater, das war mein Bruder, und so haben ich und ein Freund vom Militär ihn genannt. Und wir sind in so ’n Autokino gegangen, und sie haben über das Geld geredet, das sie verdienen, und dass Boonie sich ’n Bulltaco-Motorrad kaufen wollte, so eins mit niedriger Lenkstange, und ich stand da – mein Gott –, ich war neunzehn, und mein Bruder musste mir
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