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Hard News

Hard News

Titel: Hard News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Hilfskameramann beworben hatte, hatte man ihr gesagt, es sei aussichtslos, zu den Nachrichten versetzt zu werden und selbst Berichte zu produzieren; diese Stellen seien alle für erfahrene Nachrichtenleute oder Abgänger von bedeutenden Journalismusschulen reserviert.
    Aber da stand sie nun, Produktionsassistentin von Lee Maisel, in ihren bebenden Händen der Entwurf eines Scripts, das sie wahrhaftig für Piper Sutton geschrieben hatte.
    Rune kämpfte einen Anfall von Panik nieder.
    Sie verlagerte den riesigen Stapel aus Notizen und Bändern von einem Arm in den anderen. Ihr Herz klopfte heftig, und ihre Handflächen hinterließen Schweißabdrücke auf den schwarzen Kassetten. Sutton bemerkte sie und gab ihr mit einem Nicken zu verstehen, sie solle eintreten. »Na, kommen Sie«, sagte sie barsch. »Worauf warten Sie noch?«
    Maisel warf Rune einen kurzen Seitenblick zu.
    »Fangen wir an«, sagte Sutton. »Zeigen Sie uns das Script. Na los.«
    Rune verteilte die Papiere, und beide lasen lautlos, bis auf das ungeduldige Klopfen von Piper Suttons goldenem Cross-Kugelschreiber auf dem Tisch. Mit starrem Gesicht überflogen sie die sechzehn Seiten, bis zuerst Sutton, dann Maisel die Blätter in die Mitte des Tisches schob.
    »Na schön«, sagte Sutton. »Was ist so wichtig daran, dass Sie diese Story machen?«
    Das kam direkt aus der falschen Ecke. Eine solche Frage hatte Rune nicht erwartet. Sie schluckte, blickte zu Maisel, der ihr jedoch nicht weiterhalf. Sie dachte einen Augenblick nach und begann zu sprechen. Sie wusste es besser, als sie es sagen konnte (wieder diese Worte, diese gottverdammten Worte). In ihre Antwort an Sutton schlichen sich jede Menge ›ähs‹ und ›finde ich‹ ein. Sie korrigierte sich, sagte die gleichen Dinge doppelt. Sie hörte sich verlegen an. Sie versuchte, Sutton beim Sprechen in die Augen zu sehen, aber dabei verwandelten sich ihre Gedanken sofort in Brei. Sie brachte Worte heraus wie Gerechtigkeit und journalistische Verantwortung.
    Was alles der Wahrheit entsprach, aber einen Teil der Antwort verriet Rune Sutton natürlich nicht: Sie sagte mit keinem Wort: › Warum ich darauf brenne, die Story zu machen? Weil ein Teil von mir Sie sein möchte. Ich will groß sein und volle blonde Haare haben, die dort bleiben, wo sie sind, und auf hohen Absätzen gehen, ohne wie ein Trampel auszusehen. Ich will, dass Präsidenten von Sendern und Firmen mich mit Neid und Begierde anschauen. Ich will einen Verstand, so kalt und scharf wie der Körper eines Trägers des Schwarzen Gürtels. Ich möchte Ihre Art von Macht ausüben, nicht meine. Nicht wie Zauberei in Märchen, sondern die Macht, die stärkste Art von Bann zu wirken – die den Anschein erweckt, man wüsste zu jeder Zeit genau, was man tut und was man sagt … ‹
    Aber sie redete von der Presse, von Unschuld, von Boggs. Als sie fertig war, richtete sie sich auf. Sutton schien mit der Antwort zufrieden zu sein. »Na schön«, sagte sie. »Lassen sie mich ein paar spezifische Fragen stellen.«
    Die waren allerdings noch schlimmer, denn sie berührten Dinge, an die Rune selbst hätte denken müssen. Haben Sie das Team befragt, das ursprünglich am Tatort warf (Gute Idee; darauf war sie nie gekommen.) Haben Sie mit Boggs’ früheren Anwälten gesprochen? (Rune wusste gar nicht, dass er welche gehabt hatte.) Hat er wegen seiner kriminellen Tendenzen je einen Seelenklempner aufgesucht? (Sie hatte nie danach gefragt.)
    Danach debattierten sie zu dritt zehn Minuten lang, und am Ende nickten sowohl Maisel als auch Sutton und sagten, dass der Bericht gesendet werden sollte, vorausgesetzt, es wurde nicht behauptet, Boggs sei unschuldig – lediglich dass es an seiner Schuld schwer wiegende Zweifel gebe.
    Damit blieb nur noch die Frage, wann der Beitrag über den Sender gehen sollte.
    Sie fragten sie, was sie denke.
    Rune räusperte sich und schob Papiere hin und her. »In der Sendung nächste Woche«, sagte sie schließlich.
    »Nein, ernsthaft«, meinte Maisel.
    Und die Schlacht begann.
    »Die Sache ist die«, sagte Rune. »Er muss so schnell wie möglich aus dem Gefängnis kommen. Die mögen ihn dort nicht. Sie haben schon mal versucht, ihn umzubringen. Das hab ich Ihnen erzählt.«
    »Sie?«, fragte Sutton. »Wer sind sie?«
    »Andere Häftlinge.«
    »Wieso?«, fragte Maisel.
    »Das weiß ich nicht. Ein Wärter hat mir erzählt, er sei nicht beliebt. Er ist ein Einzelgänger. Er …«
    »Heute ist Freitag«, blaffte Maisel. »Rune, um am

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