Hard News
ist passiert, zum Teufel?«, fragte Sutton in schrillem Flüsterton.
»Ich weiß es nicht.« Rune spürte, dass ihr die Tränen kamen. Sie bohrte ihre Fingernägel wild in ihre Handfläche; durch den Schmerz wurde der Drang zu weinen schwächer.
»Jemand hat mich bestohlen. Sie haben alles mitgenommen.«
Maisel warf einen Blick auf die Uhr über der Regiekabine.
»Wir haben gar nichts? Überhaupt nichts?«
»Ich weiß nicht, was passiert ist. Ich hab das Band abgeliefert …«
»Hat sie«, sagte Morrie vorsichtig. »Charlie hat’s bekommen. Er hat’s auch einprogrammiert. Irgendwann nach vier ist es verschwunden.«
»Verdammter Mist. Wie lang war der Beitrag?«
Morrie zog sein Klemmbrett zu Rate, aber Rune antwortete auswendig. »Elf Minuten vierzehn.«
»Sie sollten doch immer Kopien ziehen«, zischte Sutton wütend. »Sie sollten …«
»Hab ich doch! Die sind auch geklaut worden. Alles. Sogar die Originalbänder.«
»Scheiße«, fluchte Sutton. Dann wandte sie sich an Maisel, dessen Gedanken sich in ähnlichen Bahnen bewegt haben mussten, so dass er wusste, was sie dachte. Für Current Events waren an diesem Abend drei weitere Beiträge programmiert. Maisel sagte jedoch, sonst sei nichts fertig gestellt, was als Ersatz für ›Gerechtigkeit light‹ eingeschoben werden könnte.
»Wir müssen die Sendung absetzen«, sagte er.
»Können wir nicht die ›Araber in Manhattan‹ bringen?«, fragte sie.
»Wir haben das nie fertig geschnitten. Wir haben die ganze Postproduction zugunsten der Boggs-Story gestoppt.«
»Und was ist mit dem Porträt des Altbürgermeisters?«
»Die meisten Aufnahmen fehlen noch, und wir haben jede Menge unbelegter Zitate. Ist juristisch heikel.«
»Der Bericht über die Guardian Angels?«, blaffte sie.
»Aufnahmen haben wir, aber kein Script.«
»Gibt es einen Entwurf?«
»Na ja, im Großen und Ganzen. Aber …«
»Ich kenne die Story.« Sie wedelte mit der Hand. »Das machen wir.«
»Wie meinst du das?«, fragte Maisel stirnrunzelnd. »›Das machen wir.‹«
»Wir bringen die drei ursprünglichen Beiträge und dazu die Guardian Angels.«
Maisel Stimme war rau wie Sandpapier. »Piper, wir müssen die Sendung absetzen. Wir können eine Wiederholung fahren.« Er wandte sich an Morrie und setzte zu einem Satz an.
Sie unterbrach ihn jedoch. »Lee, eine Wiederholung einer Nachrichtensendung? Wir bringen die Angels.«
»Ich kapier nicht, wie du das meinst, Piper. Wir haben kein Script. Wir haben von dir keine Aufnahmen. Wir …«
»Wir senden live«, sagte sie.
»Live?«
»Ja.«
Maisel schaute Morrie an. »Dazu ist’s zu spät, oder?«
»Halbe-halbe können wir nicht machen«, sagte Morrie ruhig. »Wir können den Computer abschalten und die anderen Stories per Stoppuhr aneinander hängen. Wie in alten Zeiten. Du müsstest bei all deinen On-Kommentaren live auftreten. Verdammt, wir müssten die Werbung ebenfalls von Hand einspeisen, und weißt du, wie viele Fünfzehn-Sekunden-Clips das bei Current Events sind? Das wird ’n Albtraum.«
»Dann wird es eben ein Albtraum«, sagte die Moderatorin.
»Aber Piper«, sagte Maisel, »wir können doch was anderes senden.«
»Lee«, sagte sie, »in jedem Fernsehprogramm, jedem Kabelführer und jeder Zeitung in Amerika steht, dass wir heute Abend eine neue Folge von Current Events senden. Du weißt, wie das Programm gleich wieder infrage gestellt wird, wenn wir eine Wiederholung oder irgendeine Übernahme senden.«
»Wir sagen, technische Probleme.«
»Bei meiner Sendung gibt es keine technischen Probleme.«
»Piper …«, setzte Rune an.
Aber Piper Sutton hörte sie nicht einmal. Sie und Maisel eilten davon, und Rune blieb in ihrer Arbeitsnische zurück. Sie kuschelte sich in ihren Sessel, so wie Courtney es manchmal machte, und zog die Beine an. Sie dachte an all die Arbeit, die sie noch einmal würde machen müssen. Sie fühlte sich wie betäubt, erschlagen, wie wenn jemand gestorben wäre.
Hm-mh, dachte sie. Es würde auch jemand sterben.
Randy Boggs.
Um 19:58 saß Lee Maisel in der riesigen Regiezentrale über den Kulissen von Current Events. Die Kabine war mit dem Dreifachen des normalen Personals besetzt (die meisten gehörten zur Mannschaft von Jim Eustice und hatten Erfahrung in der seltenen und anspruchsvollen Kunst der Live-Produktion).
Maisel hatte seit Jahren keine Live-Sendung mehr produziert und saß schwitzend und verkrampft vornübergebeugt wie der Kapitän eines torpedierten Schiffes, das sich
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