Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball
und legte die Lesezeichen, die ich gefunden hatte, wieder ins Buch.
»Was wollen Sie jetzt machen?«, fragte Karen.
»Als Erstes würde ich Ihnen gerne einen dicken Kuss geben. Und dann will ich duschen. Wenn Sie von der Seelsorge mal genug haben, können Sie sofort zu mir in die Agentur kommen.«
Karen lachte. »So etwas möchte ich lieber nicht noch mal machen. Als ich an diesem Polizisten vorbeimusste, war mein Blutdruck so hoch, dass ich dachte, ich kriege gleich Nasenbluten … Wo wollen Sie jetzt hin?«
»Mein Wagen steht am Lionsgate Manor. Aber da sollte ich mich lieber nicht blicken lassen. Vor allem muss ich telefonieren.«
»Das können Sie doch auch bei mir machen«, bot Karen an. »Vielleicht ist es sowieso besser, wenn Sie bei mir übernachten. Da sucht man Sie wenigstens nicht.«
Sie wohnte im ersten Stock eines alten Arbeiterhauses auf der Northwest Side. Es war eine stille Straße, nur ein paar Blocks vom Fluss entfernt, und sie hatte sogar einen kleinen Balkon, von dem aus man einen schönen Blick auf die Hinterhöfe hatte. Sie zeigte mir das Bad und gab mir Seife und Handtücher. Ich war gut zehn Zentimeter größer als Karen, aber ihre T-Shirts passten mir trotzdem. Eins der größeren gab sie mir als Nachthemd.
Als ich aus der Dusche kam, hatte Karen eine Flasche Wein aufgemacht und Cracker mit Käse bereitgestellt. Ein großer orangefarbener Kater erschien und wickelte sich um Karens Beine. Es war angenehm, mit Karen zusammenzusitzen, sich normal zu unterhalten und gelegentlich auch zu lachen, ohne dass man sich fragen musste, wer dabei zuhörte. Meine Stimmung besserte sich, und nach einem Glas Wein fühlte ich mich in der Lage, Murray beim Herald Star anzurufen. Ich musste unbedingt herausfinden, was er über Alitos Tod wusste.
Karen hatte einen dieser Telefonanbieter, bei dem man seine Nummer unterdrücken kann, deshalb brauchte ich keine Sorge zu haben, dass Murray sie auf seinem Display ablesen konnte. Als er meine Stimme hörte, wollte er allerdings sofort wissen, wo ich war und eine Menge anderer lästiger Dinge.
»Murray, Darling, wie ich schon sagte, bin ich viel unterwegs. Je mehr Zeit du mit frivolen Fragen verschwendest, desto weniger Zeit haben wir für die wichtigen Dinge. Ich hab gehört, dass sie Larry Alitos Leiche gefunden haben. Am Fluss, in der Nähe von einem der Schrottplätze. Weißt du was Genaueres?«
»Es ist immer dasselbe mit dir! Immer willst du bloß was von einem, Warshawski, und nie willst du etwas zurückgeben. Ich hab dir ein T-Shirt und Jeans gekauft, ich hab mich von Dr. Herschel beschimpfen lassen, und jetzt kommst du mir so?«
»Ich weiß, Murray. Jedes Mal, wenn ich dich in deinem himmelblauen Mercedes Cabrio herumfahren sehe, denke ich: Da kommt Murray Ryerson, der Reporter des Volkes, der nie an sich selbst denkt und all sein Gut den Armen gibt. Also, dann gib mir was!«
»Warshawski, verflucht sollst du sein! Alito ist aus allernächster Nähe erschossen worden. Von irgendjemandem, der ihm ganz kumpelhaft den Arm um die Schulter gelegt und die Leiche dann übers Brückengeländer gekippt hat. So viel ich gehört habe, dachte der Mörder wahrscheinlich, Alito würde in den Fluss fallen oder im Schrott verschwinden. Stattdessen landete er auf einem Haufen, der noch am selben Tag in den Schmelzofen kam. Der Mann auf dem Gabelstapler ist vor Schreck fast in Ohnmacht gefallen, als er ihn auf dem Transportband liegen sah.«
Murray wartete eine Sekunde, dann sagte er: »Manche Leute finden, es ist ein eigenartiger Zufall, dass wir gerade heute Morgen über Alito gesprochen haben. Am Vormittag sagst du mir, du hättest gesehen, wie er in dein Büro eingebrochen ist, und am Nachmittag ist der Mann tot.«
Ich trank noch einen Schluck Wein. »Murray, hört ihr beim Herald Star eigentlich zu, wenn euch jemand etwas erzählt? Nur so, um keine Verleumdungsklagen zu bekommen? Ich habe gesagt, ich hätte einen Zeugen gefunden, der Alito identifizieren könnte. Ich selbst kann ihn schon deshalb nicht gesehen haben, weil ich zum Zeitpunkt des Einbruchs gar nicht in meinem Büro war. Ich war im Stateville bei Johnny the Hammer.«
»Na und? Ich habe mit der Witwe gesprochen … Wie heißt sie noch? Hazel? Genau. Sie hat gesagt, du hättest Drohungen gegen ihn ausgestoßen.«
»Ja, habe ich auch schon gehört. Ich habe ihr dasselbe gesagt, was ich dir gesagt habe. Dass ich einen Zeugen habe, der ihn identifizieren kann. Mehr nicht.« Ich schwenkte das
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