Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball
und lachten. So wie ich musste Elton wohl jeden Abend durch diese Straßen trotten, wenn er seinen Stammplatz in meiner Straße verließ: ein Vietnam-Veteran ohne Wohnung, der gerade genug Geld für eine Flasche Wein oder ein Sandwich in seiner Tasche hatte.
Mit bleiernen Füßen ging ich unter der Autobahn hindurch, erst nach Osten, dann wieder nach Norden. Das Eisenbahngelände war mit Stacheldraht umzäunt, aber gleich hinter der Unterführung, noch im Schatten des Expressways, war ein Loch im Zaun. Ich schlüpfte hindurch und kroch die Böschung hinauf. Jahrzehntelang hatten die Bürger von Chicago ihren Müll aus den Autos geworfen, und an manchen Stellen war der Abhang kniehoch damit bedeckt. Es gab allerdings einen schmalen Pfad, der zu den Gleisen hinaufführte. Ich überquerte eilig die Schienen und ging auf der anderen Seite wieder hinunter, wo die Böschung fast bis zum Wasser hinabreichte.
Eltons Unterschlupf konnte ich allerdings nicht entdecken und begann mich schon zu fragen, ob er mich in seinem Verfolgungswahn vielleicht bewusst in die Irre geführt hatte. Aber der schmale Pfad zwischen dem Gestrüpp und dem Abfall war immer noch sichtbar, und ich folgte ihm bis hinunter zum Fluss. Das Wasser war von einem matschigen, bräunlichen Grün. Zwischen Plastikflaschen und Treibholz paddelten ein paar Enten herum. Eine Strömung war nicht erkennbar, und aus den Büschen am Ufer erhoben sich jetzt bei Sonnenuntergang Schwärme von Mücken.
Erst als ich mich umdrehte und die Böschung erneut ins Auge fasste, entdeckte ich auf halber Höhe die verfallene Hütte, die hinter einem Hartriegelstrauch und einem Reifenstapel verborgen war. Die Bretterwände trugen das verblasste Logo der C&NW Transportation Company; vielleicht war die Hütte als Werkzeug- oder Lagerschuppen benutzt worden. Als ich näher kam, sah ich, dass Elton eine Regentonne auf dem Dach installiert hatte, um sich waschen und sogar duschen zu können. Fenster hatte die Hütte allerdings nicht, und das Holz war zum Teil etwas angefault, aber die Löcher und Ritzen waren mit Styropor, Plastik und Blech abgedichtet.
Ich kletterte die Böschung wieder ein Stück hinauf, umrundete die Behausung und stellte mich vor die Tür. »Elton? Sind Sie zu Hause? Hier ist V. I. Warshawski. Wir müssen etwas besprechen.«
Ich klopfte an den Türrahmen und hörte ein Geräusch im Inneren der Hütte, das wie ein Schluchzen klang. Ich zog die wackelige Tür auf. Aus einem Nest von Schlafsäcken starrte mir meine Cousine Petra mit zusammengekniffenen Augen entgegen.
»Vic! Woher hast du das gewusst? Wen hast du dabei?«
Ich war nicht in der Lage zu sprechen. Ich war so erleichtert beim Anblick meiner Cousine, dass ich nur voller Erstaunen den Kopf schüttelte.
47
Aus der Mitte entspringt ein Fluss
Ich kniete auf dem Boden, und Petra weinte an meiner Schulter. »Ich habe solche Angst, Vic, es ist alles so schrecklich, bitte schimpf nicht mit mir. Ich wollte nicht … Ich hab doch nicht gewusst …«
»Ich schimpfe nicht mit dir, kleine Cousine«, sagte ich leise und strich ihr über das schmutzige Haar. »Es tut mir leid, dass ich dich angeschnauzt habe und dass du mir nicht mehr vertraut hast.«
»Sie haben gesagt, wenn ich etwas verrate, erschießen sie Mama und die Mädchen, und Daddy kommt ins Gefängnis. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Sie haben gesagt, du wolltest Daddy ins Gefängnis bringen, du würdest mich nur benutzen, um unsere ganze Familie zu vernichten.«
»Wer hat das gesagt? Strangwell? Dornick?«
Sie unterdrückte ein Schluchzen und nickte.
Die Mücken kamen hinter mir durch die Tür und stachen unerbittlich, auch durch die Kleider. Ich musste die Tür schließen, auch wenn es in dem kleinen Raum nach fauligem Wasser und Schweiß stank. Das einzige Licht kam durch ein Loch in der Decke, das Elton mit einer Glasscheibe abgedeckt hatte. Ich konnte Petras ängstliches, bleiches Gesicht nur mit Mühe erkennen.
»Angefangen hat es mit dem Nellie-Fox-Baseball, nicht wahr? An dem Tag, als du ihn in der Truhe meines Vaters entdeckt hast, hast du im Büro davon erzählt, stimmt’s?«
»Dass ich auch nie den Mund halten kann! Der Ball war aber nur ein Teil der Sache. Es fing schon damit an, dass ich bei der Spendenparty erzählt habe, dass du bei Johnny Merton gewesen bist. Danach hat dieser schleimige Richter Coleman zu Onkel Harvey gesagt, es wäre besser, wenn du dich nicht mit diesem Harmony-Fall beschäftigst. Erst fand ich das
Weitere Kostenlose Bücher