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Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball

Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball

Titel: Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Sie waren in alles verwickelt, was auf der dunklen Seite der South Side passierte. In meinen drei Jahren als Pflichtverteidigerin waren fast dreißig Prozent meiner Klienten bei den Anacondas gewesen. Sogar ihren Chef, den berüchtigten Johnny Merton, hatte ich einmal verteidigt, weil er gerade nicht genug Geld in der Kasse hatte, um seinen eigenen teuren Staranwalt zu bezahlen.
    Merton war stinksauer gewesen, dass er sich mit einer jungen Anwältin ohne jede Erfahrung abgeben musste. Er hatte mich von Anfang an einzuschüchtern versucht. »Na, Mädchen? Bist du die neue Schlangenbeschwörerin? Das schaffst du nicht! Du hast nicht genug Talent, um mit Johnny Merton zu tanzen.«
    Seine Beleidigungen waren noch gröber geworden, als ich nicht nachgab. Ich war zwar ein Neuling, aber im Schatten der Hochöfen aufgewachsen. Ich war nicht bereit, einen Richter mit einem Blick in einen tiefen Ausschnitt milde zu stimmen, aber mit Einschüchterung und Beleidigungen kannte ich mich gut aus. Ich versteckte mich hinter meinem Notizblock, schrieb alles auf, was Merton sagte, und als er Luft holte, sagte ich: »Darf ich Ihnen Ihre Stellungnahme noch einmal vorlesen? Dann können Sie mir sagen, ob ich das Richter McManus so vortragen soll, Mr Merton.«
    Wenn Lamont Gadsden ein Mitglied der Anacondas gewesen war, musste man mit allem rechnen. Die Gang ging nicht zimperlich mit ihren Leuten um. Wenn man den Versuch machte, auszusteigen, büßte man schnell mal ein Ohr ein. Das bedeutete: Niemand wird dich mehr hören, wenn du auf der Straße liegst und um Hilfe schreist.
    Ich sah zu Pastor Heberts ungerührten Augen auf. »Ich hatte gehofft, dass Sie mir vielleicht ein paar Namen nennen könnten«, sagte ich. »Namen von Leuten, mit denen Lamont Kontakt gehabt haben könnte, nachdem er 1967 das Haus von Miss Ella verlassen hat.« Ich zögerte. »Oder Sie, Ms Hebert, vielleicht kennen ja Sie jemanden. Curtis Rivers habe ich schon besucht, aber der hat mir nichts sagen können.«
    Wieder das Gurgeln, dann gewürgte Worte. »Tote die Toten begraben.«
    »Wissen Sie, dass er tot ist?«, fragte ich.
    Keine Antwort.
    »Wann haben Sie selbst Lamont Gadsden zuletzt gesehen, Pastor?«
    Keuchend holte er Luft. Ohne den Kopf zu bewegen sagte er: »Nicht mehr zur Kirche gekommen. Vor der Hölle gewarnt. Nicht gekümmert. Getauft, nicht gehört.«
    »Ja, du hast ihn getauft«, sagte Rose. »Wir alle haben ihn in die Gemeinde Christi aufgenommen. Wie kannst du da sagen, er sei auf dem Weg zur Hölle gewesen? Und warum hätte er dir zuhören und mit dir reden sollen, wenn das alles war, was du zu sagen hattest?«
    »Drogen. Nicht zugehört, aber Drogen. Gesehen, Tochter. Gewusst. Du, Frau, keine Hosen.«
    Mit einer sichtbaren Kraftanstrengung griff der alte Mann nach der Fernbedienung und stellte den Ton wieder an. Laut schreiend enthüllte der Prediger die wahre Bedeutung des Paulusbriefs an die Römer.
    »Keine Hosen?«, fragte ich Rose und stand wieder auf. Meine Beine taten mir weh vom Hocken.
    »Er ist dagegen. Unsere Kirche verbietet, dass Frauen in Männerkleidung herumlaufen«, sagte sie teilnahmslos.
    Auf biblischen Bildern tragen die Männer immer irgendwelche weiten Gewänder. Ich fragte mich, ob das vielleicht bedeutete, dass Frauen der Saving-Word-Gemeinde keine Bademäntel anziehen dürften, verzichtete aber darauf, Rose zu fragen, weil ich vermutete, dass es mir bei meiner Suche nicht helfen würde. Stattdessen folgte ich Rose durch den schmalen Flur.
    Bei dem mit Papieren überladenen Tisch blieb ich stehen. »Glauben Sie, dass Ihr Vater mir mehr gesagt hätte, wenn ich ein Kleid tragen würde?«
    Sie warf einen ängstlichen Blick in Richtung des Wohnzimmers, als ob sie befürchten müsste, dass der alte Mann uns trotz des kreischenden Fernsehers hörte. »Er ist überzeugt, dass Lamont für die Anacondas Drogen verkauft hat, aber ich hab das nie geglaubt.«
    »Sie haben gesagt, dass Lamont zornig über die Ungerechtigkeiten in seinem Leben gewesen sei. Wie hat sich das denn gezeigt? Hat er irgendwas unternommen?«
    »Er war Teil der Gruppe, die sich damals um Dr. King gekümmert hat. Sie wissen schon, im Sommer 1966, während der Bürgerrechtsmärsche.« Sie schaute mich zweifelnd an und fragte sich offenbar, ob ich wohl zu einer der South-Side-Familien gehörte, die es nötig gemacht hatten, dass Martin Luther King beschützt werden musste.
    Ich versuchte mich zu erinnern, was ich über die Unruhen von damals gehört hatte.

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