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Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball

Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball

Titel: Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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erzählten sie von den menschenfreundlichen Dingen, die sie für das Viertel planten: Kinderkrippen, Schulen, Gesundheitsfürsorge. Ich verzog das Gesicht. Die Gang hatte damals tatsächlich einige ihrer grandiosen Projekte gestartet, aber am Schluss hatten sie sich doch nur mit Drogenhandel, Zuhälterei und Schutzgelderpressung beschäftigt.
    Ich wandte mich dem Herald Star zu. Dieselben Bilder von der verschneiten Stadt. Eine Woche nach dem Interview der Daily News mit den Blackstone Rangers konterte der Herald Star mit einer Serie über die Avalon Anacondas.
    Meine Müdigkeit war sofort verflogen. Gespannt las ich, was Johnny the Hammer zu sagen hatte. Er berichtete ausführlich von den Aktivitäten der Anacondas im unruhigen Sommer des Jahres 1966.
    Ich warf einen Blick auf die Uhr. Wenn ich mich mit Johnny Merton beschäftigte, konnte ich Miss Ella das nicht berechnen. Ich las alle fünf Artikel: Ein Tag in den Einrichtungen an der 60sten Straße Ecke Racine Avenue, ein Tag in der Soforthilfe-Klinik, die Merton und die Anacondas gegründet hatten, Bilder des Bandenchefs, wie er seine acht Monate alte Tochter mit Brei fütterte.
    »Die Polizei bezeichnet die Anacondas als Verbrecherbande, und warum? Weil sie an den Schulen Milch für die schwarzen Kinder verteilen? Weil sie an der Ecke 59ste und Morgan Street eine Klinik eröffnet haben? Weil wir unsere Leute mobilisiert haben, sich als Wähler registrieren zu lassen? Weil wir im sechzehnten Wahlkreis zum ersten Mal einen Stadtratskandidaten aufgestellt haben, der eine echte Chance hat?«
    Das war eine Seite von Johnny Merton, die ich noch nicht kannte. Als ich ihn im öden Besprechungszimmer in den Cook County Criminal Courts zum ersten Mal sah, war er schon lange kein Nachbarschaftsaktivist mehr. Seine Aktivitäten bestanden nur noch darin, Ladenbesitzern ihr Geld abzunehmen und seinen Gegnern die Gliedmaßen.
    Auch 1967 war er schon der Chef einer mächtigen Straßengang gewesen. Vielleicht hatte er den Reportern ja bloß ein paar Ammenmärchen erzählt. Viele weiße Liberale fanden die Straßengangs in den Sechzigerjahren ja irgendwie chic. Besonders Journalisten prahlten gerne damit, dass sie die besten Kontakte zu den schwarzen Gangs hätten.
    »Die Polizei hält uns für eine Bedrohung für Recht und Gesetz in den Straßen der Stadt, aber es waren doch nicht wir, die Ziegelsteine auf Martin Luther King geschmissen haben, oder? Wie kommt es dann, dass unsere Brüder hinter Gittern sitzen und nicht die weißen Jungs, die Autos umgekippt haben und so weiter? Ihr habt Steve Sawyer wegen Mordes an Harmony Newsome angeklagt, ohne jeden Beweis, ohne Zeugen und sonst was. Die Schwester ist im Marquette Park gestorben, als sie Dr. King zu beschützen versucht hat. Und jetzt fragen die Leute, warum wir nicht grinsen und für sie singen und tanzen. Was ist denn, wenn es ein Weißer war, der sie bei den Unruhen umgebracht hat, was? Die waren es doch, die bewaffnet waren, aber die sitzen nicht im Gefängnis, die nicht!«
    Der Star hatte sogar ein Bild von Harmony Newsome abgedruckt. Es war ein Foto von ihrem Abschlussball an der Highschool. Ihr Haar war sorgfältig glatt gebürstet und fiel in einer leichten Welle auf ihre Schultern. Aber es war nicht das Foto, das mich veranlasste, meinen hereingeschmuggelten Kaffee zu verschütten. Es war die Bildunterschrift: HEUTE BEGINNT DER PROZESS GEGEN STEVE SAWYER WEGEN DES MORDES AN HARMONY NEWSOME .
    Der nebenstehende Text erläuterte, dass der Prozess gegen Sawyer der Höhepunkt monatelanger Proteste aufgrund der Ermordung der jungen Frau war. Freunde und Verwandte der Toten hatten seit ihrem Tod im August vor dem Polizeirevier des 1. Bezirks eine Mahnwache gehalten und täglich gebetet. Sawyer war erst zu Neujahr verhaftet worden, was bedeutete, dass der Prozess mit Höchstgeschwindigkeit vorangetrieben worden war.
    Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück und versuchte zu verstehen, was da passiert war. Steve Sawyer. War er der verschollene Jugendfreund von Lamont Gadsden?
    Ich durchforstete die Zeitungen erneut und fand schließlich eine kleine Meldung im Herald Star . Das Gericht hatte Steve Sawyer am 30. Januar des Mordes an Harmony Newsome für schuldig befunden. Keine weiteren Einzelheiten. Weder das Motiv noch die Mordwaffe wurden erwähnt, und Lamont Gadsden schon gar nicht.
    Als ich die Mikrofilme zurück ins Regal stellte, fragte ich mich, was sich Miss Ella gedacht hatte. Sie musste doch gewusst haben, dass

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