Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball
niemandem, nicht mal der Pastorin. Aber wenn ich Sie mal ein paar Tage nicht sehe, möchte ich wissen, wo ich suchen muss, falls Sie einen Arzt brauchen.«
Er warf einen misstrauischen Blick die Straße hinauf und hinunter. »Die Stelle ist drüben am Fluss. Sie ist nicht leicht zu finden, deshalb ist sie so gut. Man muss die Honore Street ganz bis zum Ende gehen, dann kommt ein Fußweg, der führt bis zur Eisenbahnbrücke. Und neben der Brücke direkt an der Böschung steht dieser Schuppen. Aber das dürfen Sie wirklich niemandem sagen. Und Ihre Tochter auch nicht.«
Petra kicherte. »Sie ist doch nicht meine Mutter! Wir sind bloß Cousinen. Aber – großes Pfadfinderehrenwort – ich verrate niemandem etwas.«
Ich gab Elton einen Dollar und nahm eine Zeitschrift. »Ich komme gleich noch mal und bringe Ihnen ein Sandwich.«
»Schinken auf Roggenbrot, Mayo und Senf, aber bitte keine Tomaten, Vic. Das wäre wirklich fantastisch.« Er tänzelte auf leichten Füßen über die Straße, wo einige Leute auf dem Bürgersteig vor dem Café saßen.
»Was machst du denn hier?«, fragte ich Petra. »Hast du dich wieder ausgesperrt?«
»Nein«, sagte sie. »Ich war auf dem Heimweg, da hab ich dein Auto hier stehen sehen. Ich wollte dich fragen, ob ich deinen Computer benutzen darf. Eine halbe Stunde vielleicht, während du ihm sein Sandwich besorgst.«
»Haben sie bei der Krumas-Kampagne das Netz abgestellt?«
»Nein, aber ich muss ein paar private Sachen erledigen, und die W-LAN -Verbindung aus meinem Block, die ich bisher benutzt habe, ist heute Morgen plötzlich verschwunden.«
»Du hast eine fremde W-LAN -Verbindung benutzt? Findest du das in Ordnung? Manche Leute nennen das Diebstahl.«
»Das ist doch kein Diebstahl«, sagte sie hitzig. »Die Verbindung ist doch sowieso da.«
Ich war zu müde, um mit ihr zu streiten, und außerdem war es mir auch egal. Ich zeigte ihr den Code für das Zahlenschloss an der Tür und vergewisserte mich, dass auf meinem Schreibtisch keine vertraulichen Unterlagen herumlagen. »Denk dran, das Licht auszumachen, wenn du gehst, ja? Die äußere Tür schließt automatisch.«
Sie schenkte mir ein großes, strahlendes Lächeln und bedankte sich herzlich. »Hast du diesem Elton wirklich das Leben gerettet?«
Ich war verlegen. »Kann sein, ja, ich weiß nicht. Ich hab ihn ins Krankenhaus gebracht, aber vielleicht wäre er ja auch von selbst wieder auf die Beine gekommen. Natürlich liegt es auch an der Sauferei. Er ist Vietnam-Veteran. Der Krieg macht die Leute wirklich kaputt.«
»Ja, ich weiß. Posttraumatische Belastungsstörung, das hatten wir in Psychologie.«
»Hat Brian Krumas dafür eine Lösung?«
Petra nickte feierlich. Sie fühlte sich für ihren Kandidaten verantwortlich. »Ja, natürlich. Wenn Brian in den Senat kommt, wird er Leuten wie Elton bestimmt helfen.«
Ihre Ernsthaftigkeit und ihr Idealismus erinnerten mich an meine eigene Jugend. Voller Wehmut nahm ich sie in den Arm und rannte dann hastig davon, um Elton sein Sandwich zu kaufen.
Am nächsten Morgen begann ich meinen Tanz mit dem Anwalt von Johnny Merton. Nichts an Greg Yeoman flößte mir Vertrauen ein, aber ich behandelte ihn wie ein rohes Ei, denn nur er konnte mir raschen Zugang zum Boss der Anacondas verschaffen.
Ich besuchte Yeoman in seiner Kanzlei auf der South Side, und er spielte mir sofort den hartgesottenen Anwalt vor, der die Welt der Straßengangs in- und auswendig kannte. Er machte aber auch klar, dass er mir den Termin bei Johnny Merton nicht umsonst vermitteln würde.
»Ich habe nicht die Absicht, für das Privileg zu zahlen, Johnny zu sehen«, sagte ich. »Aber als beratende Anwältin könnte ich halbwegs ungestört mit ihm reden.«
»Ja, ja, Ms Detective. Aber solche Dinge müssen organisiert werden. Wenn Sie Johnny so dringend sehen möchten, kann es nicht schaden, wenn Sie und ich Freunde werden.«
Natürlich, Freunde werden , der Euphemismus für Bestechung in dieser Stadt.
»Die Anacondas stellen immer noch eine gewisse Macht auf den Straßen dar, und es wäre sicher nicht gut, wenn es hieße, dass Sie Johnny Merton bedroht hätten«, fügte Yeoman mit besorgter Miene hinzu.
»Aber Sie könnten das sicher verhindern?«, sagte ich mit einem süßlichen Lächeln.
Yeoman grinste zufrieden. Die kleine Frau hatte also begriffen, dass sie ohne ihn vollkommen hilflos war. »Wenn Johnny weiß, dass wir Freunde sind, wird es bestimmt nicht so weit kommen. Aber ganz umsonst kann ich das
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