Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball
Abfall war es der Polizei nicht gelungen, genau festzustellen, wo sie gestorben war. Auch die Mordwaffe hatte man nicht gefunden.
In der Pathologie hatte man festgestellt, dass Newsome durch einen spitzen Gegenstand getötet worden war, der durchs Auge bis ins Gehirn gedrungen war. Die beiden verantwortlichen Ermittler der Kriminalpolizei, Detective Larry Alito und Detective George, Dornick sagten aus, dass sie kurz nach Weihnachten 1966 einer ihrer Informanten aus der South Side auf Steve Sawyer hingewiesen habe. Angesichts der riesigen Menschenmenge im Park, wo Newsome getötet worden war, hätten sie sonst wahrscheinlich keinen Tatverdächtigen festnehmen können.
»Hallo?« Marilyn Klimpton tippte mir auf die Schulter. Es war halb sechs, und sie wollte nach Hause. »Entschuldigen Sie, dass ich störe, aber ich habe dreimal Ihren Namen gerufen, und Sie haben mich nicht gehört. Ich habe Ihnen die Post auf den Schreibtisch gelegt, und bitte vergessen Sie nicht, dass Sie Darraugh Graham noch anrufen müssen.«
Ich lächelte, so gut ich konnte. Sobald sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, fuhr ich mit meiner Lektüre fort. Nach drei Tagen Haft hatte Sawyer den Mord zugegeben. Alito las das Geständnis in der Verhandlung vor. Sawyer war verliebt in Harmony Newsome gewesen, aber sie hatte ihn nicht beachtet. Sie war hincty geworden, als sie aufs College gegangen war.
RICHTER GERRY DALY : Hincty? Ist das so ein Negerwort?
STELLV. STAATSANWALT MELROSE : Ja, ich glaube, Euer Ehren.
RICHTER DALY : Und wie heißt das auf Englisch, Herr Staatsanwalt? (Gelächter im Saal)
STELLV. STAATSANWALT MELROSE : Ich glaube, so etwas wie »eingebildet«, Euer Ehren, obwohl ich diesen Slang auch nicht beherrsche.
In Sawyers Geständnis hieß es, er habe geglaubt, er könne sich während der Krawalle an Harmony rächen, weil die Leute denken würden, die randalierenden Weißen hätten sie umgebracht. Richter Daly hatte Sawyer nur kurz befragt. Der Pflichtverteidiger Sawyers hatte keinerlei Einspruch erhoben, weder als das Geständnis verlesen wurde noch bei der Befragung. Er hatte keine Zeugen aufgerufen und auch keinerlei Anstrengung unternommen, den Namen des Informanten herauszubekommen, der Alito und Dornick auf Sawyer hingewiesen hatte.
Sawyers Äußerungen gegenüber dem Richter schienen unzusammenhängend und vage. Mehrfach wiederholte er: »Lumumba hat mein Bild. Er hat mein Bild.«
Die Jury beriet sich eine Stunde lang, dann sprach sie ihn schuldig.
Fröstelnd las ich noch einmal die Aussage meines Vaters. Es schien, als wären meine nächtlichen Albträume jetzt plötzlich wahr geworden. Mein Vater, der ausgeschickt worden war, um den Haftbefehl auszuführen, beschrieb Sawyers Schock und seinen Versuch, vor der Verhaftung zu fliehen. Er schilderte, wie er ihm Handschellen angelegt und seine Rechte vorgelesen hatte. Diese Verfahrensvorschrift, die aufgrund eines Präzedenzfalles »Miranda« genannt wurde, war erst 1966 eingeführt worden, und das Protokoll verzeichnete etliche Scherze, die der Staatsanwalt und Detective Dornick darüber gemacht hatten, was Sawyer wohl für Rechte hätte.
Dornick und Alito. Die beiden für den Fall verantwortlichen Kriminalbeamten. Larry Alito war ungefähr ein Jahr lang der Partner meines Vaters gewesen. Tony hatte ihn nicht besonders gemocht, und ich erinnere mich, dass er sich meiner Mutter gegenüber gelegentlich über ihn beschwert hatte. Eines Abends war er richtig niedergeschlagen: Alito war zum Detective befördert worden, während er, Tony, immer noch in Uniform herumlaufen musste, obwohl er zehnmal mehr Erfahrung hatte. Meine Mutter versuchte ihn damit zu trösten, dass er jetzt wenigstens nicht mehr mit diesem prepotente im Streifenwagen herumfahren müsse.
Der Himmel war dunkel geworden, während ich auf der Couch saß und aus den Fenstern ins Nichts hinausstarrte. Als ich schließlich das Licht einschaltete, sah ich, dass es schon nach acht war. Ich unterschrieb meine Post und warf einen letzten Blick auf das Protokoll, ehe ich es zur Akte Gadsden legte. Ich hatte mich so mit meinem Vater beschäftigt, dass mir jetzt erst der Name des Pflichtverteidigers auffiel: Arnold Coleman, mein früherer Chef. Er musste 1966 noch ein sehr junger Anwalt ohne große Erfahrung gewesen sein. Aber so unerfahren, dass er keinerlei Einspruch erhob, konnte er gar nicht gewesen sein. Zumindest die hämische Sprache in diesem Gerichtshof hätte ihm auffallen müssen.
Und warum hatte er
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