Hardcore Zen: Punk Rock, Monsterfilme & die Wahrheit über alles (German Edition)
Kosten aufnehmen und ihnen liefern musste. Ich hatte 600 Kröten auf dem Konto, und das Studio, in dem Zero Defex damals aufgenommen hatten, berechnete pro Stunde zwanzig Dollar. Ich berechnete also, wie lange es ungefähr dauern würde, meine gesammelten Ersparnisse aufzubrauchen, und legte mir einen Plan zurecht, wie ich mit diesem lächerlichen Budget die zehn Tracks aufnehmen könnte, die man für eine Standard-LP brauchte. Das würde erfordern, die ganzen Arrangements im Voraus festzulegen, ins Studio zu spazieren und alles in einem Rutsch aufzunehmen. Mix-Downs?
Isch brauchä keinä stienkenden Mix-Downs!
Ich hatte all meine Demos durch simple Overdubs alleine aufgenommen, wobei ich jedes neue Instrument zu Kassettenaufnahmen von mir selber einspielte und das Resultat dann gleichzeitig mit ’nem zweiten Kassettenrecorder aufnahm. Wenn ich mir jetzt jemand anderes dazu holen würde, bestünde das Risiko, das die ganze sorgfältige Planung den Bach runter gehen würde; also entschied ich mich, es allein durchzuziehen. Das Gesamtbudget für das erste Album von Dimentia 13, dem Bandnamen, den ich mir ausgedacht hatte, nachdem JD mir sagte, dass sich Soloalben einfach nicht verkaufen würden, lag am Ende bei 575 Dollar. Es erschien 1986, erntete großartige Kritiken in den Undergroundzeitschriften und verkaufte sich recht ansehnlich.
ZU JENER ZEIT war ich immer noch Student an der Kent State University und auf der Suche nach irgendeiner akademischen Ausrichtung. Ich hatte meinen Studiengang der Kommunikationswissenschaft abgeblasen und zu Kunst gewechselt. Aber nachdem ich da praktisch durchgefallen war, begann ich, mehr oder weniger willkürlich Kurse zu belegen, in der Hoffnung, dass irgendwas davon bei mir zünden würde. Ich besuchte eine Menge Philosophiekurse und meldete mich zu einem Seminar an, dass Zen-Buddhismus hieß. Der Prof war ein dürrer, streberhaft aussehender weißer Typ namens Tim McCarthy, meilenweit entfernt vom populären Image eines Zen-Meisters. Er war nicht alt, er war kein Japaner, er hatte sich den Kopf nicht rasiert, er trug keine schwarze Robe. Und er redete nicht in diesem schrecklichen Tonfall, den sich viele Repräsentanten „mystischer“ Religionen wie mein alter Krishna-Kumpel Terry so gerne zulegen. Er war lustig, er war laut, er war echt – und er war einfach er selbst. Er spickte seine Reden mit Anspielungen auf Comics und abgefahrenen Geräuschen, die wie das Quaken von Enten klangen. Darüber hinaus war es für mich offensichtlich, dass er eine sehr seriöse Person war. Er zeigte völlig ungeschminkt, wer er war.
Er war ganz einfach ein Typ wie ich. Er nahm keine hochtrabenden Titel für sich in Anspruch oder versuchte, irgendwen mit cleveren Phrasen oder erleuchtet klingendem Gelaber zu beeindrucken. Er machte keine Versprechungen, dass er die Erleuchtung hätte oder vergeben könnte, oder sonst irgendwas in der Richtung. Er war einfach nur Tim. Falls das, was er zu erzählen hatte, einen interessierte, erzählte er mehr davon. Und wenn es einen nicht interessierte, brach ihm das auch keinen Zacken aus der Krone – und genau diese Einstellung weckte definitiv mein Interesse. Ich war bislang nie einem Repräsentanten einer Religion begegnet, der nicht versuchte, mich von irgendwas zu überzeugen, der nicht versuchte, mir seinen Glauben zu verkaufen, und den es tatsächlich einen feuchten Dreck interessierte, ob ich an das, was er zu sagen hatte, glaubte oder überhaupt nur zuhörte.
In meinem ersten Kurs mit Tim hielt er einen Vortrag über das Herz-Sutra, das meine geistige Welt so tief greifend durchrüttelte, dass ich ihm weiter hinten in diesem Buch ein Kapitel gewidmet habe. Er führte den Kurs außerdem in die Praxis des Zazen ein, wie die Zen-Schule die Art der Meditation, die sie ausübt, nennt.
Meditation gehörte in der Kent State University definitiv nicht zum Lehrplan. Trotz ihres Rufs als „radikale Schule“, den sie nach den Ereignissen am 4. Mai 1970 erhalten hatte, war die KSU genauso lahm und konservativ wie jede andere staatliche Uni sonst wo in Amerika auch. Der gesamte Kurs war ziemlich überrascht, als Tim ein Dutzend schwarzer Kissen aus einem Seesack fischte, uns kreuzbeinig darauf Platz nehmen ließ und uns anwies, einfach ruhig dazusitzen und geradeaus vor die Wand zu starren. Wir bekamen keine Mantras zum drüber Nachdenken, nichts zu visualisieren, keine Anweisungen, Atemzüge zu zählen –
nada
. Es gab keine Sitar-Musik im Hintergrund
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