Hardcore Zen: Punk Rock, Monsterfilme & die Wahrheit über alles (German Edition)
lehren hörte, kann ich einfach nicht vermitteln. Gudo Nishijima ist wie eine Naturgewalt. Seine Persönlichkeit zu beschreiben, ist, als ob man die Persönlichkeit eines Erdbebens oder eines Taifuns beschreiben will. Man macht sich nicht in erster Linie Sorgen darum, wie er nun eigentlich wirklich ist, sondern vielmehr darum, wie man am Leben bleibt, bis er vorbeigezogen ist. Er ist zwar nur ein kleiner alter Mann in Roben, aber er hat diese Stimme, die im Umkreis von Meilen die Wände zum Wackeln bringen kann. Es kommt vor, dass er sein Publikum anzustacheln scheint, sich mit ihm anzulegen, fast so, wie GG Allin es zu tun pflegte.
Falls ihr es nicht wisst, GG Allin war der vielleicht berüchtigste Punkrocker aller Zeiten. Auf der Bühne war er dermaßen skandalös, dass niemand sich wirklich sicher war, ob er nur ein unerreichter Performancekünstler oder ein echter Verrückter war. Er starb 1993 durch einen spektakulären Selbstmord.
Doch Nishijima war wesentlich gefährlicher als der alte GG. Die Punks, die kamen, um sich von GG beschimpfen, beleidigen und sich von ihm mit Kacke bewerfen zu lassen, wussten, dass sie immerhin die Chance hatten, ihn mit ihren Fäusten zu vermöbeln, wenn sie es wollten (und viele taten das auch). Doch Nishijima war nicht so leicht zu besiegen. Es käme wohl niemand auf die Idee, einen freundlichen alten Mönch in schwarzer Robe körperlich anzugreifen. Und niemand, den ich jemals ein Streitgespräch mit ihm führen sah, brachte es zu Ende, ohne dabei zu einem plappernden Narren degradiert zu werden. Ich jedenfalls hab es niemals geschafft.
MEINE NICHT GERADE ÜBERWÄLTIGENDE PERFORMANCE als Alien Dada war nicht mein erster Auftritt in einer japanischen Monsterfilm-Produktion. 1994 tauchte ich in
Ultraman Neos
als unschuldiger Passant auf, der dem Laserstrahl-Atem des brontosaurusgleichen Darengelon ausweicht. Im Film
Ultraman Zearth
war ich „der amerikanische Nachrichten-Reporter Bradley Warner“, den man etwa drei Sekunden lang dabei sehen konnte, wie er vom Diebstahl einer Statue des Königs Tutanchamun durch Außerirdische berichtet. In der ersten Folge der
Ultraman Tiga
TV-Serie bin ich ein südamerikanisches Mitglied des superwissenschaftlichen Teams GUTS, des Global Unlimited Task Squads, der die Sichtung eines Monsters auf den Osterinseln meldet.
Eine meiner denkwürdigeren Rollen spielte ich in Folge 51 der gleichen Serie, wo ich als Pilot der Kunstflugstaffel
American Blue Angels
mitwirkte, dessen Flugzeug von einem gigantischen Flugsaurier-Viech, dass New York auseinandernimmt, angegriffen wird. Hierzu gab man mir eine Uniform und setzte mich in einen billigen Cockpit-Nachbau, für den unter anderem gebrauchte Teile von richtigen Flugzeugen verwendet wurden.
Als ich im Pilotensitz festgeschnallt war, kam ein Typ rein und klebte ein paar mit Feuerwerkspulver gefüllte Plastiktütchen auf die Armaturen vor mir. Diese Sprengladungen, so versicherte man mir, seien „harmlos“, bloß helles Licht und ’ne Menge Rauch. Bei dem Budget, das für
Ultraman
zur Verfügung stand, wurden während der Testläufe natürlich keine Pyro-Effekte abgebrannt. Bei jedem Durchlauf rief der Typ, der sich um die Explosionen kümmerte, einfach
„peng, peng, peng!“
, um dem Kamerateam zu signalisieren, wann es mit Explosionen zu rechnen hätte. Schließlich war alles fertig vorbereitet. Sie wollten es beim ersten Take im Kasten haben – Film und Feuerwerk kosten Geld. Ich andererseits stand kostenlos zur Verfügung.
Ich sollte nach oben schauen, „Das Monster ist zu schnell!“ rufen, und dann schreien, wenn das Feuerwerk losging. Ich rief meinen Satz und bekam in perfektem Timing eine riesige, feurige Explosion ins Gesicht ab. Mein Schrei war absolut echt. Ich konnte die Kraft der Druckwelle und die Hitze auf Gesicht und Brust fühlen. Erstaunlicherweise verbrannte ich mich nicht – aber meine Ohren klingelten für den Rest des Tages. Später, als ich ein Videoband von der Aktion sah, fand ich heraus, dass jenes „harmlose“ Feuerwerk einen Feuerball von zwei Metern Durchmesser gezaubert hatte.
Das war der spaßige Teil. Doch es dauerte nicht lange, bevor sich mein Traumjob in einen – na ja, ich würde nicht
Albtraum
sagen, aber halt doch in einen ganz normalen Job verwandelte. Es war etwas, wofür ich mich aus dem Bett quälen musste. Mein Paradies war direkt vor meinen Augen einfach zu nichts zusammengeschmolzen.
JEDER EINZELNE MENSCH auf dieser Welt wird früher oder
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