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Hardcore Zen: Punk Rock, Monsterfilme & die Wahrheit über alles (German Edition)

Hardcore Zen: Punk Rock, Monsterfilme & die Wahrheit über alles (German Edition)

Titel: Hardcore Zen: Punk Rock, Monsterfilme & die Wahrheit über alles (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Warner
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man in circa zwei Stunden mit dem Hochgeschwindigkeitszug erreicht. Es ist ein schöner alter Zen-Tempel, umgeben von Teefeldern, Meilen vom nächsten Supermarkt entfernt und kein McDonald’s ® oder Starbucks ® in Sicht. Doch wenn du dringend einen zuckerstrotzenden Softdrink brauchst, kannst du immer noch die fünf Minuten den Hügel runter zum nächsten Automaten vor dem kleinen Nudelshop laufen, der die Touristen und die Leute, die zum Tempel kommen, um Beerdigungen zu organisieren, versorgt.
    Soweit ich das während meines ersten Aufenthalts im Tempel beurteilen konnte, schien es die hauptsächliche Beschäftigung der Mönche im Tempel zu sein, in der Küche rumzuhängen und sich hirnlose Talksendungen in der Glotze anzuschauen, Bier zu trinken und die Gesänge aufzufrischen, die bei den Beerdigungszeremonien verwendet werden. Im Laufe der nächsten paar Jahre stellte ich fest, dass ich mit dieser Einschätzung ziemlich falsch lag. Es stellte sich heraus, dass der Typ, den ich das ganze Bier trinken gesehen hatte, gar kein Mönch war (obwohl er einen rasierten Kopf hatte und im Tempel wohnte – verklagt mich ruhig wegen Rufmord). Er schaffte es außerdem, den Alk im folgenden Sommer aufzugeben – was in Japan, wo man sich sieben Abende in der Woche abschießen kann, ohne als Alkoholiker zu gelten, schon ’ne reife Leistung ist. Tatsächlich sind all die Mönche hart arbeitende Jungs, die in ihrer Gemeinde eine wichtige Funktion erfüllen. Doch außer dem Abt des Tempels, der sich uns in der Regel für mindestens eine Sitzung anschließt, war der einzige Mönch dort, den ich jemals beim Zazen gesehen habe – was immerhin die zentrale Praxis des Zen-Buddhismus ist – ein Typ der buddhistischen Theravada-Schule aus Sri Lanka, der dort als Teil eines buddhistischen Austauschprogramms war. Das ist aber leider ziemlich typisch für buddhistische Tempel in ganz Japan.
    Verglichen mit anderen Zen-Sesshins 15 sind die von Nishijima ziemlich locker. Während in vielen solcher Sesshins die Schüler um 3 Uhr morgens geweckt werden, lässt Nishijima seine Schüler um entspannte 4 Uhr 30 aufstehen. Es gibt täglich vier Zazen-Perioden, wovon zwei fünfundvierzig Minuten dauern, und die anderen beiden anderthalb Stunden (das heißt fünfundvierzig Minuten Zazen, fünfzehn Minuten Gehmeditation und weitere fünfundvierzig Minuten Zazen). Das ist ungefähr die Hälfte von dem, wenn überhaupt, was die wirklich strengen Tempel ihren Schülern abverlangen. Die Sesshins dauern nur drei Tage, im Gegensatz zu den Wochen- oder Monatsangelegenheiten, die es sonst so gibt. Doch wenn du so was nie zuvor mitgemacht hast, kann sogar das ein ziemlicher Schock fürs System sein.
    ZU DER ZEIT , als ich mein erstes offizielles Sesshin mitmachte, hatte ich bereits elf Jahre lang Zazen geübt und seit zwei Jahren Nishijimas Vorträge besucht. Doch mein erstes Sesshin mit Nishijima war meine erste Erfahrung in einem echten Tempel, bei der ein echter japanischer Zen-Meister den Laden schmiss.
    Ich hasste es.
    Erstmal war ich von den Vorbereitungen völlig irritiert. Als der Armleuchter, der ich bin, hatte ich, statt mich für das jährliche englischsprachige Retreat für Ausländer anzumelden, mich bei dem Sesshin eingetragen, das Nishijima für neue Mitglieder des Unternehmens abhält, für das er arbeitet.
    Der Vorsitzende des Unternehmens ist von Zazen fasziniert und fordert von allen neuen Angestellten an einem dieser Retreats teilzunehmen. Eine Horde pickelgesichtiger College-Absolventen, die gerade ihren Weg in die wahnsinnig aufregende Kosmetikindustrie gemacht haben, werden in die Berge verfrachtet, um dort drei öde Tage lang still zu sitzen. Es gibt kein Bier, keine Trockenfischsnacks, keine Karaoke oder Partyspiele – nur Frieden und Einsamkeit und das ganze Wochenende mit dem Blick auf eine Wand gerichtetes gerades Sitzen. Unnötig, zu erwähnen, dass diese Kids alles andere als glücklich und zufrieden sind.
    Ich war also einer von Nishijimas drei speziellen Gästen an jenem Wochenende, zusammen mit Jeremy Pearson, einem seiner Langzeitschüler, und einem merkwürdigen Koreaner, der scheinbar irgendwo so ’ne Art Philosophieprofessor war. Wir vier teilten uns einen Raum im zweiten Stock des Tempels. Ich kannte Jeremy zu jener Zeit nicht besonders gut, doch er hatte sich den Kopf rasiert, kannte jedes Sutra und Mahlzeitenritual und trug das gesamte Wochenende über Mönchsroben. Er war eindeutig ein sehr ernsthafter Zen-Typ.

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