Hardcore Zen: Punk Rock, Monsterfilme & die Wahrheit über alles (German Edition)
Ich konnte nie so ganz klären, warum der Koreaner da war. Er sprach fließend Englisch und kam auf Japanisch halbwegs durch und hatte offensichtlich eine ganze Menge buddhistische Literatur gelesen. Er sah sich selbst eindeutig als Experte auf diesem Feld an. Soweit ich weiß, könnte er einer der angesehensten buddhistischen Gelehrten in Korea gewesen sein. Er führte sich jedenfalls wie Koreas angesehenster Irgendetwas auf. Vielleicht war er ja gekommen, um ein wenig direkte Erfahrung mit japanischem Zen zu sammeln, zweifelsfrei, um nach Korea zurückkehren und dort verkünden zu können, dass er ein echtes Zen-Training im japanischen Stil durchlaufen habe.
Doch mein entscheidender Eindruck von ihm war folgender: Er furzte viel.
Versteht mich jetzt nicht falsch, natürlich ist Gas ablassen in Ordnung und normal und natürlich. Doch dieser Mann schien keinerlei Schimmer davon zu haben, dass es potentiell ein wenig abtörnend sein könnte, wenn man dies laut und geruchsintensiv mitten in einer höflichen Unterhaltung tut. Beim Plappern hob er einfach eine Arschbacke und ließ ohne die geringste Sprechpause einen fahren. Ich hatte zwar von ein paar asiatischen Ländern gehört, wo öffentliches Nasebohren nicht als komisch oder rüpelhaft gilt, doch ich glaub’ nicht, dass es irgendeinen Teil der Welt gibt, wo Furzen als gewöhnlicher Bestandteil wohlerzogenen gesellschaftlichen Umgangs angesehen wird – und Japan ist
gewiss
kein solcher Ort. Der Mann hatte eine Menge der Eigenschaften, welche die Autisten hatten, mit denen ich gearbeitet hatte, als ich Ausbilder am
Summit County Board
für geistige Behinderungen war. Er schien sich nicht bewusst zu sein, dass es außer ihm noch andere Leute auf der Welt gab. Er sprach ausschließlich in Monologen, so als ob er sich seine eigenen geistigen Bilder von anderen Leuten gemacht hätte und lieber auf die Bilder als auf die Leute selbst reagierte. Bevor er dir eine Frage stellte, hatte er sich deine Antwort schon im Geist ausgearbeitet, und völlig egal, welche Antwort man dann tatsächlich gab – er antwortete auf diejenige, die er in seinem Geist gehört hatte. Das führte zu ein paar ziemlich merkwürdigen Unterhaltungen. Ungefähr so:
F URZMANN : Welche ist Deine Lieblingsfarbe?
I CH : Blau.
F URZMANN : Weißt Du, rot ist ein Symbol für …
(Eine Stunde Bla-bla-bla über rot)
Okay, ich übertreibe ein wenig – aber nicht viel.
Nun ja, ich war zu diesem Sesshin mit einer Laus auf der Leber angereist. Ich hatte Zazen zu jenem Zeitpunkt seit mehr als einem Jahrzehnt praktiziert und war ziemlich angefressen davon, dass ich immer noch nicht die Erleuchtung erreicht hatte. Ich hatte all die größeren buddhistischen Sutras gelesen und die meisten heiligen indischen Bücher gründlich studiert. Ich hatte Regale voll mit eselsohrigen Büchern großer spiritueller Persönlichkeiten wie Krishnamurti, Ramana Maharshi, Shunryu Suzuki und jedem sonst, der über das Thema Erleuchtung geschrieben hatte. Ich war sogar in christlichen Kirchen gewesen, um mir deren Ideen zu „Wiedergeburtserfahrungen“ anzuhören, von denen ich dachte, sie wären vielleicht eine Art christliche Version von Erleuchtung. (Waren sie nicht. Zu deiner Information.) Mann, wenn irgendjemand erleuchtet hätte sein sollen, dann war’s doch wohl ich!
Eines Abends war ich mit Nishijima, Jeremy und dem Furzmann zusammen, und stählte meine Nerven um Nishijima nach Erleuchtung zu fragen.
Lass mich dir ein wenig Hintergrundinfo geben: Kurzgefasst gibt es in Japan zwei größere Zen-Schulen: Soto, zu der Nishijima gehört und in der mein Lehrer Tim McCarthy gelernt und gelehrt hat; und die Rinzai-Schule, Sotos Hauptrivalen. Der Unterschied zwischen beiden ist folgender: Die Rinzai-Schule glaubt an Erleuchtung und die Soto-Schule tut’s nicht.
Okay, zugegebenermaßen stellt sich das alles ein wenig komplexer und interessanter dar als das. Aber um der Story zu folgen, ist das echt alles, was du jetzt wissen musst.
Da ich ja wusste, dass Nishijima ein Soto-Typ ist, versuchte ich, diese ganze Erleuchtungssache cool anzugehen. Ich benutzte nicht einfach das
E
-Wort, sondern schlich um den heißen Brei herum und sagte Sachen wie „Ich lerne nun schon seit zehn Jahren und ich
hab es
immer noch nicht, weißt du? Ich meine, dass ich, du weißt schon,
einfach nichts verstehe
…“ – so ziemlich alles, außer ihn anzustupsen und ihm zuzublinzeln, um ihm zu zeigen, dass ich ins große Geheimnis eingeweiht
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