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Hardcore Zen: Punk Rock, Monsterfilme & die Wahrheit über alles (German Edition)

Hardcore Zen: Punk Rock, Monsterfilme & die Wahrheit über alles (German Edition)

Titel: Hardcore Zen: Punk Rock, Monsterfilme & die Wahrheit über alles (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Warner
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senffarben oder braun, obwohl ich auch schon violette gesehen habe. Das Schärpendings ist das Kesa. In Indien, wo’s wesentlich wärmer ist als in Japan, war das Kesa das einzige Mönchsgewand.
    Nach der Tradition sollte man sich sein eigenes Kesa nähen, und zwar aus abgelegten Leichentüchern sowie Stoffwindeln und Damenbinden. Ein paar Leute nähen sie immer noch selbst, doch selbst bei denen glaub’ ich eher nicht, dass sie so weit gehen, Leichentücher, Windeln und Binden zu verwenden. Als ich Nishijima fragte, was er mir empfehlen würde, sagte er: „Wenn du willst, kannst du eins nähen. Ich habe meins in einem Laden gekauft.“ Ich hab’ in meinem Leben nicht mal ’nen Hemdknopf angenäht, also suchte ich mir ’nen Laden und kaufte dort ein Kesa (die Baumwolle war übrigens neu).
    Die andere Sache, die ich noch brauchte, war ein Übertragungszertifikat, das Nishijima unterschreiben und mit seinem Siegel abstempeln konnte. Das musste ich dann tatsächlich selber herstellen. Ich musste ein großes Stück Seide nehmen und darauf die Namen all der Leute niederschreiben, die jemals in Nishijimas Linie die Übertragung empfangen hatten, beginnend mit Gautama Buddha den ganzen Weg bis hin zu Nishijimas Lehrer und Nishijima selbst und zum Schluss noch meinen eigenen Namen – oder vielmehr den neuen falschen buddhistischen Namen, den ich bei der vorangegangenen Zeremonie bekommen hatte. Obwohl er mir sagte, ich könne die Namen ruhig in romanischen Buchstaben schreiben, entschied ich mich, es in chinesischen Buchstaben zu tun. Mir gefiel die Herausforderung, und davon mal abgesehen, zeigte er mir eine Fotokopie des Übertragungszertifikats eines seiner anderen Schüler, das in romanischen Buchstaben verfasst war und ziemlich dämlich aussah. Ich ruinierte zwei Stücke Seide, und schließlich fragte ich Nishijima, nachdem ich die Namen zweier meiner Dharma-Vorfahren mal wieder vermurkst hatte, ob ich Tipp-Ex ® benutzen könne, um die Fehler zu korrigieren, anstatt noch ein weiteres Stück Seide wegzuschmeißen. „Sicher“, sagte er ohne Zögern.
    Die Details der Zeremonie selbst sollten geheim sein. Ich nehm’ mal an, dass man sich Sorgen darum macht, dass unlizenzierte Leute damit anfangen würden, sich einander wild den Dharma zu übertragen, wenn die Details bekannt würden, und
wer weiß
, was dann für ein Chaos ausbrechen würde. Und so werde ich die Details aus Respekt für all jene, die die letzten paar Jahrhunderte den Mund darüber gehalten haben, hier nicht ausbreiten. Aber du verpasst nicht viel.
    Traditionell soll die Zeremonie nach Mitternacht stattfinden. Nishijima bleibt aber nicht gerne so lang auf, also begann der Spaß abends um 20:30 Uhr. Ich vergeigte so ziemlich jeden einzelnen Schritt der Zeremonie. Mein Kesa rutschte mir ständig von der Schulter, ich legte das kleine Mattendings, auf dem man niederknien soll, dauernd falsch rum hin und knallte beinahe mit Nishijimas Kopf zusammen, als wir uns voreinander verbeugten – der reinste Slapstick.
    Doch ich zog’s durch, und Nishijima gab mir mein Zertifikat mit all den erforderlichen Siegeln drauf wieder – und
badda bing, badda bumm
bin ich ein amtlicher Zen-Meister.
    DOCH LASST MICH FOLGENDES MAL KLARSTELLEN: Niemand meistert Zen. Nie und nimmer. Es ist ein lebenslanger, niemals endender, sich unablässig entfaltender Prozess.
Zen-Meister
ist ein furchtbar irreführender Ausdruck.
    Könnten wir ohne Zen-Meister auskommen? Sicherlich. Könnten wir komplett auf die Dharma-Übertragungszeremonie verzichten? Klar. Und wir könnten auch auf das Wort
Buddhismus
verzichten. Ich persönlich würde diesen ganzen Kram gern loswerden. Letzten Endes hat nichts davon irgendwas mit dem zu tun, was von Belang ist.
    Gautama Buddha war in der Lage, die Fassade religiöser Organisationen zu durchschauen und wird ganz bestimmt erkannt haben, dass seine einfache Meditationsmethode ernsthaft Gefahr lief, durch Verbindung mit solchem Unsinn in etwas Billiges und Schäbiges verdreht zu werden. Tatsächlich sagte er voraus, dass sein eigener Orden schließlich untergehen würde. Dennoch zog er es durch und errichtete einen Orden für Mönche und einen für Nonnen. Er wusste, dass dies der beste Weg war, das, was er gefunden hatte, an zukünftige Generationen zu übertragen. Und es funktionierte auch – trotz all des übertriebenen Pomps, der viel von dem, was heutzutage so als „Buddhismus“ durchgeht, umgibt, funktioniert Buddhismus. Echter Buddhismus

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