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Tür steht. Ihr Körper ist im Schatten; ihre Augen sind besorgt, fordern jedoch immer noch eine Entscheidung. Alles Unschuldige an ihr ist schon lange fort, ist von den Rasiermessern der Straße weggeschnitten worden. Die Kyberschlange ist jetzt nicht mehr so etwas Schreckliches, sondern eher ein mitleiderregender Versuch, sich zu verteidigen, in der dunklen neuen Ordnung einen Platz für sich zu schaffen.
Er versucht die Summe seiner Schulden aufzulisten, der Schulden an Sarah und den Dodger und an Warren, an ein paar Kids, die in einem einzigen Schlafsack in einer verfallenden Scheune in Missouri gekauert hatten. An die Kinder hier in Roons Palast. An seine eigenen brennenden Träume.
"In Ordnung", flüstert er. Seine Augenlider flattern, ein alter Reflex, der wegen seiner Plastikaugen und der amputierten Tränenkanäle keine Funktion mehr hat. "In Ordnung. Wir machen es auf deine Art."
Sie kommt langsam zu ihm, schlingt ihm die Arme um den Hals und legt ihre Wange an seine. "Es tut mir leid, Cowboy", sagt sie. "Es tut mir leid."
Er klammert sich eine Weile an sie, läßt sich von ihr in die Finsternis ihrer eigenen zernarbten Seele, ihres zerrissenen Lebens, ihrer dunklen Wahlmöglichkeiten mitnehmen.
Früher einmal hat er ein freies Leben in der Luft geführt, auf der letzten offenen Straße. Jetzt ist es ein Tunnel, der immer enger und dunkler wird, und er hat die Wände nicht ansteigen sehen, bis er tief im Innern war und schneller als das Licht auf diesem hallenden, schmaler und dunkler werdenden Pfad entlangraste.
Er wird Sarah genau beobachten müssen. Sie weiß, wie man an diesem Ort überlebt.
Roon hat seinen neuen Körper erst seit acht Jahren; er sollte eigentlich nicht älter als dreißig aussehen, aber um die Augen herum sind Linien, die vom Kajal nicht ganz versteckt werden können und kundtun, wie intensiv er von ihm Gebrauch macht. Bis auf eine ölige, geringelte Locke über dem linken Auge ist seine Kopfhaut völlig kahlrasiert. Diamantsplitter glitzern in seinen Kopfbuchsen. Es sieht so aus, als hätte er sich noch nie die Zähne geputzt. Er lacht und greift nach seinem Drink. Cowboy merkt, wie seine Lider zittern. Angst jagt an seinem Rückgrat empor.
"Der Schacht war eine Barriere für unsere Völker auf beiden Seiten", sagt Roon. Er langt nach einem Inhalator, jagt sich ein paar Raketen hinein, wirft den Kopf zurück und schnüffelt. Seine Stimme leiert unverändert weiter; sie ist zu dem Sternenhologramm an der Decke gerichtet. "Bei jenen außerhalb der Schwerkraft hat sich ein anderes Bewußtsein entwickelt. Aber Kristall überbrückt die Kluft, brennt sich in unsere Köpfe und verbrennt das Unvollkommene, bis wir hilflos vor der Unausweichlichkeit seiner Logik stehen."
Er streckt eine Hand aus und berührt eine von Cowboys Schläfenbuchsen. Cowboy versucht, nicht zurückzuzucken. Roons Leichenatem hüllt ihn ein. Cowboy sieht Sarah auf der anderen Seite des Eßtisches. Ihr Gesicht ist eine Maske, während sie zusieht. "Die vollkommene Architektur des Kristalls überbrückt die Kluft zwischen uns, Cowboy", sagt er. "Die Grenzen der Erde und ihres Schwerkraftschachtes können abgeschafft werden. Eine neue Beziehung kann entstehen. Die Vereinigung der Ausbeuter mit den Ausgebeuteten, des Kosmischen mit dem Irdischen, des Räubers mit der Beute."
Die Hand sinkt weg. Roon wendet sich zu Sarah um, seine Augen betrachten sie schräg von der Seite, dann beugt er sich zu ihr und nimmt ihr Gesicht in seine gewölbten Hände. Cowboys Nerven schreien auf.
Roons Worte sind undeutlich, als sei er betrunken. "Zuerst ist sie erzwungen worden, unsere neue Beziehung. Der Krieg - er war wegen der Dummheit der Führer der Erde unvermeidlich geworden. Selbst jetzt versucht ihr uns Widerstand zu leisten. Aber das wird sich bald ändern. Ihr werdet bereitwillig kommen. Werdet unserer Vision, unseren Ekstasen verfallen. Der Kristall wird euch dazu bringen."
Er lächelt, greift wieder nach seinem Drink, lehnt sich in die Couch zurück und schließt die Augen. Cowboy sieht zu, wie er tiefer zu atmen beginnt, wie ihm der Drink aus den Fingern gleitet und lautlos in den tiefen Teppich fällt. Lupe und Raul, die reglos zu beiden Seiten von ihm stehen, wechseln versteckte Blicke.
Cowboy erhebt sich aus seinem Sessel. Ihm ist schwindlig vor Haß. Sarahs Blick hebt sich zu ihm, als er dort steht, zuckt zu Roon und richtet sich wieder auf ihn, als sie ihre Entscheidung trifft. Sie
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