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hoch und rennt in das andere Zimmer. Im Licht des brennenden Bettes sieht sie sich um. Daud liegt ausgestreckt in einer Ecke, Teile seines Körpers sind offen, andere kleben an der Wand. Sie schreit um Hilfe, schafft es aber allein, das brennende Bettzeug durch das Loch in der Wand zu bekommen. Draußen steigen die heißen Zungen des Morgens im Osten auf. Sie glaubt Daud zu hören, wie er ihren Namen ruft.
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Der Fahrer des Krankenwagens will im voraus bezahlt werden, und sie öffnet ihr Portefeuille mit dem Computer und überträgt die Aktien, ohne die Preise in Frage zu stellen, die er ihr nennt. Daud stirbt dreimal, bevor die beiden Assistenten des Fahrers ihn aus dem Apartment herausschaffen können, und jedesmal, wenn sie ihn wieder ins Leben zurückholen, steigen die Preise. "Wenn Sie das Geld haben, Lady, kommt er wieder in Ordnung", erklärt ihr der Fahrer. Anerkennend betrachtet er ihren nackten Körper. "Man kann alle möglichen Vereinbarungen treffen", sagt er.
Später sitzt Sarah im Krankenhauszimmer und sieht den Ärzten bei der Arbeit zu, und man nennt ihr die Preise. Sie wird Pläne schmieden müssen, wie sie das Endorphin rasch zu Geld machen kann, innerhalb von ein paar Tagen. Maschinen, die an Daud angeschlossen sind, zischen und klopfen. Polizisten umringen sie und wollen wissen, warum jemand vom gegenüberliegenden Gebäude aus eine scharfe Rakete auf die Wand ihres Apartments abgefeuert hat. Sie erzählt ihnen, sie hätte keine Ahnung. Sie haben eine Menge Fragen, aber das scheint die häufigste zu sein. Schließlich legt sie das Gesicht in die Hände und schüttelt den Kopf; sie scharren eine Zeitlang mit den Füßen, dann gehen sie weg. Sie wünscht, sie hätte den Inhalator; sie braucht den Biß des Treibsatzes, um auf dem Posten zu bleiben, und damit ihr Verstand funktioniert. Gedanken hämmern auf sie ein. Wenn Cunninghams Leute in ihrem Apartment gewesen waren, dann hatten sie gewußt, daß sie im hinteren Zimmer schlief und Daud im vorderen. Sie haben gewartet, bis das Licht ausging und sie Zeit hatte, sich schlafen zu legen, und dann mit einer Waffe gefeuert, die die Wand durchschlagen und brennenden Stahl im Inneren verstreuen würde. Sie hatten nicht darauf vertraut, daß sie niemandem etwas sagen würde oder daß sie nicht versuchen würde, die Wissensbrocken, die sie erworben hatte, als Hebel für einen eigenen gerissenen Gossenplan zu verwenden. _Wem sollte ich denn etwas sagen_? fragt sie sich. Sie erinnert sich an Cunningham in jenem letzten Augenblick im Plastic Girl, an seine Traurigkeit. Er hatte es gewußt. Hatte sie auf seine Weise zu warnen versucht. Vielleicht hatte die Entscheidung nicht bei ihm gelegen; vielleicht war sie über seine Einwände hinweg getroffen worden. Was kümmerte die Orbitalen ein weiteres Gossenmädchen, wenn sie bereits Millionen umgebracht hatten und den Rest nur so lange am Leben ließen, wie er ihnen von Nutzen war?
Der Hetman gleitet katzenhaft ins Zimmer. Er trägt einen goldenen Ohrring, und seine klugen, feuchten Augen sind von den Spinnweben des Lebens in der Gosse umringt, das der alte Gauner geführt hat. "Es tut mir leid, mi hermana", sagt er. "Ich hatte keinen Hinweis darauf, daß es dazu kommen würde. Ich möchte, daß du das weißt."
Sarah nickt benommen. "Ich weiß, Michael." "Ich kenne Leute an der Westküste", sagt Hetman. "Sie werden dir dort Arbeit geben, bis Cunningham und seine Leute vergessen haben, daß es dich gibt."
Sarah blickt zu ihm auf, schaut dann zum Bett und zu den summenden, zischenden Maschinen. Sie schüttelt den Kopf. "Ich kann nicht weg, Michael."
"Ein schwerer Fehler, Sarah." Sanft. "Sie werden es wieder versuchen."
Sarah gibt keine Antwort, fühlt nur die Leere in ihrem Innern und weiß, daß die Leere nie mehr weichen würde, wenn sie Daud wieder im Stich ließe. Der Hetman steht einen unbehaglichen Moment lang da, dann ist er fort.
"Ich hatte das Ticket", flüstert Sarah. Draußen kocht der Dreck unter der wahnsinnigen Sonne. Der ganze Schmutz der Erde jagt seinen Tickets nach, sie stürzen sich auf alles, was ihnen ein Bruchstück ihres Traumes gibt. Alle spielen sie nach Regeln, die andere gemacht haben. Sarah hat ihr Ticket, aber die Regeln haben sich gegen sie gewendet wie ein Wiesel, und sie muß das Ticket in Stücke reißen und es auf der Straße verstreuen, es verteilen, damit sie zusehen kann, wie die Maschinen summen und zischen
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