Harlekins Mond

Titel: Harlekins Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Cooper Larry Niven

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sie den Gewächskasten mit den dornigen Ranken hinter sich gelassen hatte, drehte sie sich um und rannte den Spiralweg hinunter zu ihrem Treffen mit Gabriel.

KAPITEL 42
    WACHWECHSEL

    Gabriel arbeitete in seinem Büro; umgeben von flimmernden Datenfenstern war er vollauf damit beschäftigt, die Aktivität der Nanos zu überwachen, die den Asteroiden namens Refuge umformten. Zum ersten Mal seit Tagen war Gabriel allein. Rachel half Ali in der Medizinischen Abteilung, und Erika war zu einer Dringlichkeitssitzung des Hohen Rates gerufen worden. Der größte Teil von Refuges »Ober« seite war inzwischen mit einer dicken Schicht Industriediamant bedeckt. Die darunter befindliche, sich verdickende Spirale aus Korridoren und weitläufigen Kammern erinnerte an das Gehäuse eines Nautilus. Die Zuflucht würde schön werden. Die »Unter« seite des Asteroiden war so unberührt, wie sie sie vorgefunden hatten: ein dicker meteorischer Wiedereintrittsschild, verstärkt mit jeglicher Schlacke, für die die Nanoroboter keine Verwendung gehabt hatten.
    Stunden vergingen. Gabriel überprüfte immer wieder Parameter, veränderte den Anstiegswinkel einiger Treppen im Innern der Zuflucht und entwarf einen neuen Alkoven in einer der Krankenstationen.
    Er wandte sich um, als er hinter sich das leise Tapsen von Erikas Füßen hörte. Ihre Augen waren geweitet, und sie hatte den Mund zu einem schmalen Strich zusammengezogen.
    »Was ist passiert?«, fragte Gabriel.
    »Captain Hunter ist zurückgetreten.«
    Die Erkenntnis der Konsequenzen, die sich daraus ergeben würden, durchlief ihn in Wellen. Erika würde hier gefangen sein – während sie im Dienst war, würde sie die John Glenn nicht verlassen können. Erika gehörte nun dem Hohen Rat an. Sie war jetzt ranghöher als er. Sie war ranghöher als jeder andere auf dem Schiff. Er liebte sie, und für sie ging ein Traum in Erfüllung. Er wandte sich zu ihr um und nahm sie in die Arme. »Ich gratuliere!«
    Erika schmiegte sich an ihn, und er fühlte, wie die Anspannung aus ihren Muskeln wich. »Ich hatte Angst, du würdest es schrecklich finden«, flüsterte sie.
    »Das tue ich auch«, sagte Gabriel.
    »Er … er hat gesagt, er tritt zurück, um auf Selene hinunterzugehen. Um mit dir zu arbeiten.«
    Der Captain war schon immer an Selene interessiert gewesen – er hatte jedoch stets genügend Abstand gewahrt. »Hat er gesagt, warum?«
    »Nein, aber er und Liren reden nicht mehr miteinander.«
    Gabriel verzog das Gesicht.
    Erika kleidete seine Ängste in Worte. »Wir sind so nahe dran. Wir haben die Arbeit Zehntausende Jahre erfolgreich abgeschlossen, und es liegen nur noch ein paar Jahrzehnte vor uns. Einen Kampf in den eigenen Reihen können wir uns jetzt nicht leisten. Wir müssen geeint bleiben und uns an unseren ursprünglichen Plan halten.«
    »Du hast jetzt die Macht, das zu beeinflussen«, flüsterte Gabriel.
    Erika erschauderte in seinen Armen, dann versuchte sie, sich ihm zu entziehen. »Ich … ich muss gehen. Cläre und Liren wollen mich über die anstehenden Pläne für Camp Clarke informieren. Ich wollte es dir nur persönlich sagen.«
    Er zog sie enger zu sich heran, drückte sie an sich, bis sie nachgab und sich widerstandslos in seine Arme sinken ließ. »Bleib noch – nur ein paar Augenblicke. Bitte.«
    Erika gab einen kleinen erstickten Laut von sich, und ihre Arme legten sich fester um ihn. Seine Wange ruhte auf ihrem Scheitel, während er sie an sich gedrückt hielt, ohne etwas zu sagen.

KAPITEL 43
    GESCHICHTSSTUNDE

    Ali teilte Rachel dazu ein, ihr bei den Neuerwärmten zu helfen; einhundert Erdgeborene, von denen die meisten in ein gänzlich unerwartetes Leben zurückgeholt wurden. Rachel hörte wieder und wieder, wie Ali ihnen den Verlauf der Ereignisse schilderte. Nach dem ersten Tag hatte sie mit Astronaut geredet, bis sie meinte, die Geschichte verstanden zu haben. Da Ali nicht überall zugleich sein konnte, lernte sie, sie selbst zu erzählen.
    Sie wärmten je zehn Leute auf einmal auf. Ein voller Tag war nötig, um sie mit der aktuellen Situation vertraut zu machen. Die wiedererweckten Erdgeborenen mussten irgendetwas darüber erfahren, wieso sie nicht dort waren, wo sie zu sein erwartet hatten.
    Das interstellare Staustrahltriebwerk der John Glenn hatte versagt.
    Verkrüppelt und von Gammastrahlen umflutet hatte das gewaltige Fernraumschiff einen Stern innerhalb seiner Reichweite ansteuern müssen, und das mit weniger als einem Zehntel der