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Harlekins Mond

Harlekins Mond

Titel: Harlekins Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Cooper Larry Niven
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Frage. »Für mich ist es wie gestern. In meiner Erinnerung ist es erst acht Jahre her. Die 60.000 Jahre dazwischen waren für mich Kältezeit, und darum kann ich mich noch deutlich erinnern, wie es war, als die KIs die Vorherrschaft übernommen haben, und wie ringsum die Menschen gestorben sind wie die Fliegen. Oder interniert wurden. Meine ältere Schwester ist verschwunden und nie mehr aufgetaucht. Sie haben sie mitgenommen, wegen ›Versuchter Auslöschung einer Intelligenz‹. Ich habe keine Ahnung, was sie getan hat, und meine Eltern wussten es ebenso wenig. Das ist der Grund, weshalb wir hierhergekommen sind – weshalb wir von dort fortgegangen sind. Ich habe es nur so gerade und mit Mühe und Not geschafft, einen Platz an Bord zu ergattern. Meine Familie war vermögend, und Ma Liren war so versessen darauf, Mom wegen ihres medizinischen Könnens dabeizuhaben, dass sie Rieh dazu gebracht hat, mich als Assistenz-Nachrichtentechnikerin mit auf die Reise zu nehmen.« Kristins Stimme versiegte, sie aß ein Stückchen Brot und schaute auf ihre nackten Füße, mit denen sie durchs Gras fuhr.
    »Erzähl weiter!«, forderte Rachel sie, von tiefer Neugier getrieben, auf. »War es schwer, von zu Hause wegzugehen?«
    »Zu Hause war es Furcht erregend geworden. Wir wollten von dort verschwinden. Die KIs und die Nachgerüsteten haben versucht, Gesetze zu verabschieden, um unseren Aufbruch zu verhindern, und wir haben dagegen demonstriert – ach, das spielt alles keine Rolle mehr! Wir sind von dort geflohen, und ich war so froh, dass ich überhaupt einen Platz an Bord bekommen hatte, dass es mir nicht einmal etwas ausgemacht hat, dass meine Eltern auf der Leif waren. Ich war die jüngste Kolonistin, die mitgenommen wurde – ich war erst 30 Jahre alt.«
    Kristin blickte erneut auf ihre Zehen hinunter, dann wieder zu Rachel. »Was jetzt kommt, ist der schwierige Teil – der Teil, von dem ich möchte, dass du ihn verstehst. Kannst du dir vorstellen, dir wäre alles entrissen worden, was du kanntest? Dass du Pläne gehabt hättest, die zu Fall gebracht wurden, bevor es dir noch richtig klar war? Hast du nicht etwas Ähnliches durchgemacht, nachdem sie dich eingefroren hatten?«
    Demnach musste ihre Mom mit jemandem über sie gesprochen haben. Vermutlich mit Ali.
    Kristin fuhr fort: »Was dir passiert ist, war ein Unfall. Wir dagegen nehmen vom Rat Befehle entgegen. Das tun wir alle. Die Räte sind der Grund, weswegen wir noch am Leben sind; wir sind davongekommen, weil sie diese Reise finanziert haben. Stell dir vor, man würde dir befehlen, an einem Ort zu leben, den du hasst und das Bett mit einem Mann zu teilen, den du nicht kennst und mit dem dich keinerlei gemeinsame Erfahrungen oder Geschichte verbindet. Dein Dad war erst 19, als man uns vertraglich aneinander gebunden hat – jünger, als du jetzt bist. Und ich war 30. Man hatte mich hier geweckt – mich am falschen Ort aufgetaut, getrennt von jedem, den ich einmal geliebt habe, durch zu viele Jahre, als dass es noch Sinn hätte, sie zu zählen. Meine Schwester – ihr Name war Rachel … ich habe dich nach ihr benannt. Ich weiß bis heute nicht, ob sie getötet oder kybernetisch verändert oder einfach nur eingesperrt und irgendwohin deportiert worden ist … aber egal. Als ich aufgewacht bin, war sie schon längst tot. Und meine Eltern waren für mich ebenfalls verloren – vielleicht sind sie immer noch vereist und warten weit entfernt von hier darauf, irgendwann bei der Terraformierung von Ymir zu helfen, aber wahrscheinlicher ist, dass sie aufgewärmt wurden und ebenfalls seit langem tot sind. Es spielt keine Rolle. Ich wusste damals schon, dass ich sie nie mehr wiedersehen würde.«
    Tränen liefen ihrer Mom über das Gesicht, und Rachel streckte den Arm aus und legte Kristin die Hand auf die Schulter. Kristin zitterte, doch sie ergriff Rachels Hand nicht.
    »Lass mich zu Ende erzählen. Ich … ich will, dass du es verstehst. Nach dem, was du zu mir gesagt hast, als ich in der Medizinischen Abteilung aufgewacht bin, habe ich darüber nachgedacht, wie du dich gefühlt haben musst.«
    Rachel drückte ihrer Mutter die Schulter.
    »Uns wurde befohlen, den Vertrag miteinander zu schließen. Uns wurde befohlen, Kinder zu bekommen. Ich wollte das nicht. Ich war noch nicht bereit dazu. Eigentlich hätte eine neue Welt auf mich warten sollen. Ein Ort, an dem wir wirklich menschlich hätten sein können, an dem wir uns eine Heimat hätten erschaffen können, wie auf

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