Harold Shea 03 - Die Stählerne Festung
es sich um eine Angewohnheit des jungen Mannes.) »Nun hilft nichts mehr, ich muß sterben.« Zwei dicke Tränen kullerten über sein Gesicht und schimmerten auf seinen Fangzähnen.
Belphegor legte den Arm um seine Schultern. »Ach, unglücklicher Knabe, bekümmere dich nicht! Sir Harold, ich fordere Euch ernsthaft auf, ihn nicht zu verdammen, denn er ist ein Troubadour, und ich halte es für alles andere als ritterlich, ihn schlechter zu behandeln als einen, der Euch bei Eurem Tun geholfen hat.«
»Schon gut, schon gut«, lenkte Shea ein. »Er ist ein Held und ein Schoßhündchen. Ich weiß nur nicht, warum wir uns überhaupt die Mühe gemacht haben, dich zu retten. Als wir reinkamen, hattest du ja schon alles im Griff.«
Jetzt war es an Belphegor, verletzt zu sein, wie Shea mit einem Anflug von Rachsucht bemerkte. »Pfui, schämt Euch!« schalt sie ihn. »Wenn Ihr mich mit Euren Zauberkünsten in eine undankbare Dirne verwandelt, nehme ich meine Gunst zurück.«
Shea kam sich plötzlich recht erbärmlich vor und wandte sich der Navigationsarbeit zu. Es war ein Bravourstück gewesen, das sie alle in Stimmung hätte versetzen sollen. Und jetzt.. .
Nach einem Moment hatte er sich wieder in der Gewalt. Er rief sich in Erinnerung, daß es reichlich unreif von ihm war, sich über Medoro zu ärgern; denn der war nur einer jener schizoiden Charaktere, die unter Belastung gar nicht anders können, als jede Kontrolle zu verlieren, während er selbst, Shea, unter ähnlichen Umständen die besten Leistungen erzielte. Laut sagte er: »In Ordnung, ich glaube, für heute nacht haben wir uns genug gestritten.« (Ihm war bewußt, daß er den größten Anteil an den Streitereien gehabt hatte, aber er war schließlich der Kapitän an Bord, und eine zu nachgiebige Haltung würde seine Position nur untergraben.) »Auf nach Burg Carena! Zur stählernen Festung!«
»Mein Bogen«, sagte Belphegor. »Ohne ihn bin ich hilflos. Vielleicht ist er noch in dem Gasthaus, wo wir gefangen genommen wurden. Werdet Ihr mir die Freundlichkeit erweisen, dort nachzusehen, Sir Harold?« Ihre Stimme war immer noch frostig.
»Eine gute Idee«, stimmte Shea zu und steuerte den Teppich in Richtung des Dorfes. »Ich würde diesem Flohzüchter von Wirt auch gerne eins verpassen, und jetzt habe ich die richtige Ausstattung dafür.« Er streichelte seine Fangzähne bei diesen Worten.
Er spürte, wie sich das Mädchen hinter ihm vorsichtig auf dem in den Teppich eingerollten Roger niedersetzte. Ein Laut, irgendwo zwischen Stöhnen und Brüllen angesiedelt, drang gedämpft aus dem Stoff. Belphegor sprang auf und brachte den fliegenden Teppich zum Schwanken. »Was ist das? Können Teppiche auch sprechen, wenn Ihr sie verzaubert?«
Shea grinste. »Das ist dein alter Freund Roger von Carena. Wir bringen ihn zu seinem Onkel zurück.«
»Tatsächlich?« Sie zog den Teppichrand ein Stückchen zurück und lachte dann perlend auf. »Nein, wie mich das freut, und ob dieser Freude seid Ihr wieder in meiner Gunst, Sir Harold. Aber ich möchte ein Ohr des großen Bären als Trophäe.« Sie zog ihr kleines Jagdmesser heraus. Der Teppich schwankte, als Roger sich gegen seine Fesseln aufzulehnen versuchte. Medoros Dschin-Gesicht nahm einen grünlichen Ton an. »Verschiebe es auf ein anderesmal, bitte! Wir sind fast da.«
Unter ihnen lag der Ort. Aus den Fenstern des Gasthauses fiel zitronengelbes Licht nach draußen. Shea kurvte um das Haus und manövrierte den Teppich behutsam vor eins der Fenster, das in den Schlafraum im ersten Stock führte. Er spähte hinein. Eine trübe Öllampe stand auf einem niedrigen Tisch, die Betten schienen leer zu sein.
»Ich sehe ihn nicht«, sagte er. »Wo hast du ihn liegen lassen?«
»Ich dachte, ich hätte ihn zusammen mit dem Köcher auf das Bett neben dem meinen gelegt«, antwortete sie.
»Da ist er nicht mehr. Medoro, du und ich werden uns auf die Suche machen. Und du, Schöne, achtest darauf, daß der Teppich nicht vom Fenster wegtreibt, weil wir es auf dem Rückzug möglicherweise sehr eilig haben. Du kannst ihn steuern, indem du vorsichtig an der Kante hier ziehst, aber tu' es nur, wenn du mußt. Wenn Roger Ärger macht, kannst du beide Ohren haben.« Medoro schaltete sich ein: »O mein Fürst und Bruder, ist es nicht vorteilhafter, wenn ich warte? Zum einen kann ich den Teppich vor Angriffen verteidigen, zum anderen kann ich einen Bogen nicht vom anderen unterscheiden.«
»Nein!« entschied Shea. »Komm!«
Er stieg
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