Harper Connelly 02 - Falsches Grab-neu-ok-10.12.11
nichts mehr genützt.
Dann wäre
Tolliver vielleicht inzwischen mit einem netten Mädchen verheiratet, das gerne
schwanger ist, die Sorte Mädchen, die gern auf Tupperwarepartys geht.
Wenn ich diesen
Gedanken weiterspinne und ich an jenem Tag gestorben wäre - vielleicht wä re Cameron dann an bewusstem Tag nicht auf bewusster Straße
unterwegs gewesen und wäre nicht entführt worden.
Es bringt
natürlich nichts, so etwas zu denken. Deshalb erlaube ich es mir auch nicht
sehr oft. Aber in diesem Moment musste ich mich regelrecht zwingen, an etwas
anderes zu denken. Statt mich meinen Tagträumen hinzugeben, musste ich mich
darauf konzentrieren, I öl Ii ver beim Verfassen der
Presseerklärung zu helfen.
Was er zu
Shellie Quail gesagt hatte, brachte unsere
Öffentlichkeitsstrategie auf den Punkt. Wir begannen seinen Kommentar
auszuschmücken. Es fiel uns allerdings schwer zu glauben, dass uns das
irgendjemand abkaufen würde. Denn wie groß ist die Chance, dass diejenigen, die
es nicht geschafft hatten, eine Leiche in Nashville zu
finden, sie ausgerechnet in Memphis fanden? Trotzdem, wir mussten tun, was wir
konnten.
Wir wollten
unsere Erklärung gerade ausdrucken, als ich ans Telefon gerufen wurde. Der
Hotelmanager sagte: »Miss Connelly, hier sind ein paar
Leute, die raufkommen und mit Ihnen und Mr Lang reden
wollen. Empfangen Sie Besuch?«
»Um wen geht
es denn?«
»Um die
Morgensterns und noch eine Dame.«
Diane und Joel. Mir rutschte das Herz in die Hose, aber besser,
wir brachten es hinter uns.
»Bitte
schicken Sie sie hinauf.«
Tolliver
betrat das Wohnzimmer, um Art zu verständigen, während ich die Erklärung
ausdruckte. Art las sie durch und machte ein paar kleine Änderungen, während
wir warteten. Nach zwei, drei Minuten klopfte es an der Tür.
Ich holte
tief Luft und machte auf, nur um einen weiteren Schock zu bekommen - und das an
einem Tag, der mich auch so schon genug mitgenommen hatte. Detective Lacey hatte uns zwar gesagt, dass Diane wieder ein Kind bekam, aber so
plastisch hatte ich mir das nicht vorgestellt. Doch jetzt, wo ich sie sah, war
es nur zu offensichtlich. Diane Morgenstern war wirklich schwanger, und zwar
mindestens im siebten Monat.
Sie war
immer noch schön. Ihr Haar hatte die Farbe von dunkler Schokolade; es war glatt
und kurz geschnitten. Ihre großen dunklen Augen benötigten kein Make-up. Diane
hatte einen kleinen Mund und eine kleine Nase. Sie sah aus wie ein niedliches
kleines Äffchen. Aber im Moment sah sie einfach nur schockiert aus.
Ihr Mann, Joel,
war etwa 1,75 groß, kräftig und gedrungen. Auf dem College war er mal Ringer
gewesen. Plötzlich fielen mir die Pokale in seinem Arbeitszimmer in Nashville wieder ein. Er hatte lichtes, rotes Haar und blaue
Augen, eine rötliche Gesichtsfarbe und ein markantes Gesicht mit einer scharf
geschnittenen Nase. Wie passte dieses Äußere zu einem Mann, der Frauen
unweigerlich auffiel? Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Joel Morgenstern war
ein Mann, der sich immer ganz auf sein Gegenüber konzentrierte, und vielleicht
war das das Geheimnis seiner magischen Ausstrahlung. Man muss fairerweise
dazusagen, dass Joel sich dieser Ausstrahlung gar nicht bewusst war. Oder aber
er nahm sie für derart selbstverständlich, dass er gar nicht mehr darüber
nachdachte, welche Wirkung sie auf Frauen hatte.
Trotz der
damaligen Umstände hatte ich schon in Nashville bemerkt,
wie sich die Journalistinnen um ihn scharten. Vielleicht dachten sie, ein Vater
ist immer ein wenig verdächtig. Vielleicht wollten sie ihm Fehler in seinen
Aussagen nachweisen. Trotzdem umschwärmten sie ihn wie Kolibris eine große rote
Blüte. Verständlicherweise hatte die Polizei intensive Nachforschungen
angestellt, ob er nicht vielleicht eine Affäre hatte, jedoch ohne Erfolg. Im
Gegenteil, jeder, der Joel kannte, erzählte, dass er Diane treu ergeben war.
Außerdem wussten alle noch, wie rührend er sich um seine erste Frau gekümmert
hatte, als diese im Sterben lag.
Vielleicht
liegt es daran, dass ein Blitz mein Gehirn gegrillt hat. Vielleicht habe ich
auch einfach andere Kriterien; fest steht, dass mich Joel nicht so anzog wie
die meisten Frauen.
Felicia
Hart, deren Schwester Joels erste Frau gewesen war, betrat hinter Diane und
Joel den Raum. Ich erinnerte mich noch an Felicia, die ich bei meinem ersten
Treffen mit der Familie kennengelernt hatte. Sie hatte sich redlich bemüht,
Victor, dem Sohn aus erster Ehe, eine gute Tante zu sein. Sie begriff,
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