Harper Connelly 02 - Falsches Grab-neu-ok-10.12.11
Diane und Joel Morgenstern die Hoffnung
nie aufgegeben, ihre Tochter könnte eines Tages lebend zu ihnen zurückkehren.
Stattdessen hat man jetzt möglicherweise ihre Leiche entdeckt.« Die blonde
Anwältin machte eine Kunstpause. Die Journalisten konnten es kaum erwarten,
Fragen stellen zu dürfen, aber Blythe fuhr fort: »Die Familie Morgenstern
bittet jeden, der etwas über das Verschwinden von Tabitha weiß, sich nun
endlich zu melden. Obwohl die ursprünglich ausgesetzte Belohnung für den Fund
der Leiche nun keine Relevanz mehr hat, wird derjenige, der Fakten zu Tabithas
Entführung beisteuern kann, nach wie vor eine Belohnung erhalten.«
Ich wusste
nicht recht, was das bedeuten sollte. Ich hatte nicht einmal gewusst, dass
überhaupt eine Belohnung ausgesetzt worden war, da wir (natürlich) keinen
Kontakt mehr zu den Morgensterns gehabt hatten, nachdem es uns nicht gelungen
war, ihre Tochter in Nashville zu finden.
Da ich
dachte, ihre Erklärung sei beendet, drehte ich mich erwartungsvoll zu Tolliver
um, hörte jedoch, wie Blythe Benson weitersprach. Ich
sah wieder in Richtung Bildschirm.
»Was die
Polizei einen unglaublichen Zufall‹ nennt - nämlich, dass die Hellseherin, die
Diane und Joel Morgenstern mit der Suche nach Tabithas Leiche beauftragt
hatten, diese nun tatsächlich gefunden hat, wenn auch ganz woanders...«
Gleich
verliert sie den roten Faden, dachte ich.
»... bleibt
es doch eine unbestreitbare Tatsache, dass Zufälle nun mal zum Leben
dazugehören, und dies ist so einer. Diane und Joel Morgenstern haben Harper Connelly nicht gebeten, nach Memphis zu kommen. Sie
haben sie und ihren Manager nicht mehr gesehen, bis Miss Connelly in Memphis eintraf. Sie wussten nicht, dass Miss Connelly vorhatte, ihre Fähigkeiten heute Morgen auf dem alten Friedhof von St.
Margaret unter Beweis zu stellen. Keiner der Morgensterns war auf dem
Bingham-College. Und keiner hat etwas mit der Fakultät zu tun, die Harper Connellys Friedhofsbesuch organisiert hat. Tatsächlich
hat kein Mitglied der Familie Morgenstern Harper Connelly oder
ihren Bruder und Manager Tolliver Lang seit ihrer erfolglosen Suche nach
Tabitha vor anderthalb Jahren noch einmal kontaktiert. Ich danke Ihnen für Ihre
Aufmerksamkeit.«
Art war
äußerlich ruhig geblieben, trotzdem zeigten die Kameras, dass er Blythe Benson anstarrte wie eine Außerirdische. Und ehrlich gesagt,
konnte ich ihm diesbezüglich keinen Vorwurf machen.
Zunächst
einmal hatte Benson die Worte »Hellseherin« und
»Fähigkeiten unter Beweis stellen« so ausgesprochen, als bedeuteten sie etwas
völlig Abartiges. Anschließend hatte sie sich und ihre Mandanten so weit wie
möglich von uns distanziert. Es fehlte nicht viel, und sie hätte uns für den
Tod des Mädchens verantwortlich gemacht.
Wir waren
zum Abschuss freigegeben.
Tolliver und
ich drehten uns gleichzeitig zu dem Paar auf dem Sofa um. Die Morgensterns
schienen gar nicht zu begreifen, was Blythe Benson da
soeben unterstellt hatte. Sie starrten auf den Fernseher und warteten wie
betäubt auf Arts Erklärung. Hinter ihnen stand Felicia
und warf uns einen bedeutungsschweren Blick zu, aus dem etwas sprach wie: »Ha!
Hab ich's nicht gesagt?!« Tolliver und ich sahen uns ungläubig an. Er wollte
schon eine Bemerkung machen, als ich ihn am Arm berührte. »Jetzt nicht«, sagte
ich leise.
Ich wusste
selbst nicht recht, warum ich lieber schweigen wollte, als Joel und Diane zur
Rede zu stellen. Selbst Diane musste eigentlich klar sein, dass sie uns gerade
öffentlich bloßgestellt hatten, während sie zu allem Überfluss in unserem
Wohnzimmer saßen. Sie hatten mehr oder weniger gesagt : »Egal, was diese Leute
behaupten, wir haben nichts mit ihnen zu schaffen. Wir kennen sie nicht, wir
haben sie nie mehr gesehen und wir würden nie wieder mit ihnen
zusammenarbeiten, denn als wir sie mit der Suche nach unserem Kind beauftragt
haben, sind sie gescheitert.«
Art nahm
seinen Platz vor den Mikrofonen ein. Es ist komisch, jemanden, den man kennt,
im Fernsehen zu sehen, auch wenn uns das eher selten passiert. Allein die
Tatsache, dass jemand, der gerade eben noch im selben Zimmer war, plötzlich vor
der Kamera steht und damit kurzzeitig berühmt wird, ist ebenso befremdlich wie
beunruhigend. Fast scheint es, als verwandle ihn der Fernseher in ein anderes
Wesen - in jemanden, der weniger Fehler und mehr Intelligenz besitzt, in eine
gefällige, clevere Person.
Art hielt
die Erklärung in der Hand, die Tolliver und ich
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