Harper Connelly 02 - Falsches Grab-neu-ok-10.12.11
er. »Möchtet
ihr, dass ich die Journaille zusammentrommle und mich korrigiere?«
»Nein, Art,
das geht schon in Ordnung«, sagte ich. »Aber in Zukunft solltest du dich
genauer ausdrücken und dieses kleine Detail ebenfalls erwähnen.«
»Alles
klar«, sagte Art munter. »Heute war ein langer Tag für einen so alten Herrn wie
mich, Kinder. Ich werde auf mein Zimmer gehen, in der Kanzlei anrufen und
hören, was es dort Neues gibt.«
»Gern, Art«,
sagte Tolliver, der inzwischen ganz in sein Rätsel vertieft war. »Aber wenn du
erst morgen nach Atlanta zurückfliegst, musst du mit uns zu Abend essen.«
»Danke, mal
sehen, wie viel ich heute noch arbeiten muss. Vielleicht
bestell ich mir lieber was aufs Zimmer. Aber ruft mich an, falls ihr ausgehen
wollt.«
»Bis
später«, sagte ich.
Kaum war er
weg, wandte ich mich zu Tolliver. »Was, glaubst du, hat er in Erfahrung
gebracht?«
»Das
versuche ich auch schon die ganze Zeit aus ihm herauszubekommen. Vielleicht
denkt die Polizei, dass ich Tabithas Leiche versteckt und sie hier auf dem
Friedhof deponiert habe, nur um zu beweisen, dass deine Gabe echt ist.«
Ich starrte
ihn mit offenem Mund an und musste dann lachen. »Diese Vorstellung ist einfach
zu grotesk.«
Tolliver
legte seinen Stift beiseite und sah mich an. »Tja, da hast du auch wieder
recht. Keine Ahnung, wo ich die Leiche des Mädchens anderthalb Jahre lang hätte
verstauen sollen.«
»Im
Kofferraum«, sagte ich trocken, woraufhin er mich anlächelte. Es war ein
herzliches Lächeln, was bei ihm eher selten vorkam, und es tat mir gut.
Tolliver war nicht vom Blitz getroffen worden, und seine Mutter hatte nicht
versucht, ihn als Stricher an einen ihrer Drogenkumpel zu verkaufen. Aber auch
er hatte so einiges mitgemacht und redete genauso ungern darüber wie ich.
»Irgendwo muss Tabitha die letzten anderthalb Jahre ja gesteckt haben«,
argumentierte Tolliver. »Das heißt, ihre Leiche lag entweder in diesem Grab
oder in einem anderen Versteck.«
»War sie
schon die ganze Zeit über dort?«, überlegte ich laut. »Das kann ich mir nicht
vorstellen. Die Erde war frisch umgegraben. Der übrige Boden auf dem Friedhof
war glatt, aber an dieser Stelle war der Untergrund uneben, und es wuchs auch
kein Gras auf dem Grab.«
»Sie muss in den letzten anderthalb Jahren irgendwo anders
vergraben gewesen sein«, sagte Tolliver nüchtern.
»Na ja, sie
könnte auch noch eine Zeit lang gelebt oder tot in einem Gefrierschrank, einem
Kühlraum oder einem Leichenschauhaus gelegen haben. Oder aber man hatte sie
woanders vergraben, wie du sagst.« Ich wog die verschiedenen Möglichkeiten
gegeneinander ab. »Aber das glaube ich nicht. Ich glaube immer noch, dass sie
tot ist, seit sie entführt wurde, also mehr oder weniger die ganze Zeit tot
war. Aber sie lag nicht schon die ganze Zeit auf dem Friedhof von St. Margaret.
Ich versteh bloß nicht, warum man sie dort hingebracht hat. Und wie es
passieren konnte, dass ausgerechnet ich sie gefunden habe. Das ist doch
wirklich merkwürdig.«
»Stimmt, das
ist beinahe schon ... unglaublich«, sagte Tolliver ebenso leise wie
nachdenklich.
5
Am nächsten
Morgen sah die Welt auch nicht rosiger aus. Ich machte CNN an, während ich in
meinem Zimmer meinen Frühstückskaffee trank und die Tageszeitung vor mir auf
dem Tisch ausbreitete. Sie zeigte ein altes Foto von Tabitha, einen neueren
Schnappschuss der Morgensterns und ein Foto von mir, das an einem Fundort vor
zwei Jahren aufgenommen worden war.
Der
Fernsehbeitrag war genauso überdreht wie der Zeitungsartikel. Das FBI war
tatsächlich kurz nach Tabithas Entführung eingeschaltet worden. Jetzt stellte
es der Polizei von Memphis sein Fachwissen, aber auch sein Speziallabor zur Verfügung.
»Wir haben
bei den Ermittlungen vollstes Vertrauen in die Polizei von Memphis«, sagte ein
Agent, der aussah, als kaute er zum Frühstück an seinen Fingernägeln. »Wir
werden einen Agenten vor Ort einsetzen, der bereits an den Ermittlungen zu
Tabithas Entführung beteiligt war. Er wird die Beamten dort nach besten Kräften
unterstützen. Alles, was wir wollen, ist Gerechtigkeit für dieses kleine
Mädchen und ihre Familie.«
Ich
überlegte, ob man uns wohl erlauben würde, zurück zu unserer Wohnung nach St. Louis
zu fahren. Noch besser wäre es allerdings, wenn wir ein weniger
offensichtliches Ziel ansteuern könnten, wo man uns nicht so leicht aufspüren
konnte. Wir hielten uns zwar nicht besonders oft in unserer Wohnung auf,
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