Harper Connelly 02 - Falsches Grab-neu-ok-10.12.11
ich, während mein^ Hand Kreise über der Leiche
beschrieb. Ich rechnete jeder* Moment damit, dass Hatton in Ohnmacht fiel.
»Wonach soll
ich suchen?«, krächzte er.
»Irgendjemand
hat es ihr im Salatdressing verabreicht« stöhnte ich. »Selen.«
Dann öffnete
ich die Augen und wiederholte: »Diese Dame wurde vergiftet.«
Lyle Hatton
starrte mich mit glasigem Blick an.
»Wir gehen
jetzt«, sagte ich zu Tolliver, der den Doktor mit geballten Fäusten musterte.
Also
verließen wir den Raum und liefen erneut den langen Flur entlang. Die junge
Frau hatte vor der Tür auf uns gewartet und begleitete uns schweigend bis zum
Ausgang. Ich war heilfroh, in den kalten grauen Tag hinauszukommen, und sog die
frische Luft gierig ein. Tolliver und ich sahen dem dichten Verkehr auf der Madison etwa fünf Minuten lang zu und atmeten dabei ein und
aus, froh, dem Gebäude entronnen zu sein. Das Summen war mir schon sehr
intensiv vorgekommen, bevor ich es betreten hatte, aber das war nur ein
schwacher Abglanz dessen gewesen, was ich innerhalb dieser Mauern gespürt
hatte.
Als ich
wieder einigermaßen ich selbst war, sagte ich: »Diane hat sie nicht umgebracht.
Tabitha hat nach ihrer Mutter gerufen.«
Tolliver
ließ das auf sich wirken. »Da bin ich schon mal froh«, sagte er. »Ein
Verdächtiger weniger.«
»Mach dich
nicht lustig über mich«, schimpfte ich, obwohl er keine Miene verzogen hatte.
»Das ist zumindest ein Anfang.«
»Klar«,
sagte er. »Ich mache mich auch gar nicht lustig über dich.« Er packte meinen
Arm, so dass ich gezwungen war, ihn anzusehen. »Ich weiß wirklich nicht, wie du
das machst, ohne den Verstand zu verlieren. Ich bewundere dich ehrlich.«
Im Moment
konnte ich es wirklich nicht gebrauchen, dass Tolliver liebevoll und
verständnisvoll war.
»Ich will,
dass sie mir den Namen des Mörders sagen!« Ich ging quer über den Parkplatz zu
unserem Wagen.
»Normalerweise
kann ich mich damit abfinden, dass Menschen andere Menschen umbringen. Das ist
nun mal leider so. Aber in diesem Fall bin ich einfach wütend. Ich bin
fuchsteufelswild.«
»Du hast
schon mit anderen Kindern zu tun gehabt«, sagte Tolliver und meinte damit, dass
ich ihre Todesursache ermittelt hatte. Wir stiegen ins Auto.
»Natürlich
habe ich schon mit Kindern gearbeitet. Aber diesmal ist es anders, keine
Ahnung, warum. Vielleicht liegt es daran, dass die Familie immer noch nicht
weiß, was ihr zugestoßen ist, und sich gegenseitig verdächtigt. Das nimmt mich
einfach mit.«
»Aber das
sollte es nicht. Das macht dich fertig, und das will ich nicht.«
»Ich doch
auch nicht. Aber ich kann nichts dagegen tun, und obwohl ich sie berührt habe,
kann ich einfach nicht sagen, wer sie ermordet hat, das weißt du ja. Ich
fürchte, wir können noch lange nicht weg von hier.«
»Willst du
das denn?«
Ich
schnallte mich an. »Wie meinst du das?« Der Klang seiner Stimme hatte mich
misstrauisch gemacht.
»Du kannst
es doch sonst kaum erwarten, die Stadt zu verlassen, wenn wir mit einem Kunden
fertig sind. Aber du redest schon ein paar Tage nicht mehr davon. Willst du
bleiben? Was hält dich hier? Manfred Bernardo? Joel
Morgenstern? Oder Seth Koenig vielleicht?« Er drehte den Schlüssel unnötig
heftig im Zündschloss herum und sah mich bewusst nicht an.
»Häh?« Ich
starrte ihn an, als hätte er Chinesisch gesprochen. Tolliver fuhr los.
Als ich
schließlich begriff, was er mir damit unterstellte, musste ich lachen. Was für
eine Ironie des Schicksals! Früher hätte er vielleicht ansatzweise einen Grund
gehabt, mich so etwas zu fragen. Dann hätte ich mir vielleicht wirklich
Gedanken über Manfred gemacht oder geheime Fantasien über Seth Koenig oder Joel
Morgenstern gehabt. Letzter besaß die muskulöse Figur eines Ringers und war
insofern gut für Fantasien geeignet - Ohhh Joel, drück mich fest auf die
Matte, bitte ! Aber auf die Matte gedrückt zu werden, hatte noch nie zu
meinen Fantasien gehört. Und obwohl unser Altersunterschied gering war, kam mir
Manfred Bernardo noch wie ein halbes Kind vor.
»Tolliver,
als ich dir sagte, dass ich kein Interesse an Joel habe, war das ernst gemeint.
Außerdem scheint er glücklich verheiratet zu sein, und eine Ehe wollte ich noch
nie zerstören. Was Manfred angeht, hmmmmmm.« Ich leckte mir die Lippen. »Das
ist was anderes. Man muss sich einfach fragen, wie es
wohl unter dieser Lederkluft aussieht.«
Tolliver sah
mich ungläubig an. Als er merkte, dass ich grinste, schämte er sich
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