Harper Connelly 02 - Falsches Grab-neu-ok-10.12.11
wenig zuverlässig. Nicht, dass Clyde etwas
gegen ihre Überzeugungen gehabt hätte, er wollte ihnen nur nicht zugestehen,
dass sie Fähigkeiten haben, die er selbst nicht besitzt. Aber bei Ihnen war ich
mir sicher, dass Sie echt sind. Ich habe Artikel über Sie gelesen und Fotos
gesehen. An dem Tag, an dem Sie die Leiche des Mädchens fanden, war er außer
sich vor Wut. In der Nacht, in der er starb, war er abends noch kurz weg und
ist dann noch wütender zurückgekommen. Ich nehme an, er hat Sie im Hotel
aufgesucht?«
Ich nickte.
»Danach hat
er ein, zwei Telefonate vom Handy aus geführt und ist wieder los«, sagte sie
bedrückt. »Ich bin schlafen gegangen. Aber diesmal kam er nicht mehr nach
Hause.«
»Ich möchte
Ihnen mein Beileid aussprechen«, sagte ich nach einer Weile, als ich merkte,
dass sie mir nichts mehr mitzuteilen hatte. Doch wenn ich ehrlich sein soll,
glaubte ich, dass sie ohne Clyde Nunley besser dran
war.
Anne sah auf
ihre Hände, und plötzlich war ihre ganze manische Energie wie weggeblasen.
Jetzt war sie nur noch melancholisch. Sie schüttelte den Kopf, als ich anbot,
eine Nachbarin oder Freundin für sie anzurufen. »Ich muss Clydes Unterlagen
durchgehen«, sagte sie. »Außerdem wollte dieser Seth Koenig nachher noch
vorbeikommen, der FBI-Agent.« Sie blieb sitzen, während wir selbst den Weg nach
draußen fanden.
Wir
schwiegen beide ein paar Minuten, nachdem wir in unseren Wagen gestiegen waren.
»Er war
gemein zu ihr«, sagte Tolliver. »Sie kann froh sein, dass sie ihn los ist.«
»Oh ja, Clyde war wirklich das Letzte«, sagte ich. »Aber sie wird ihn
trotzdem vermissen.«
Ich konnte
Anne Nunley leider keine schöne Zukunft vorhersagen, in dieser Hinsicht musste
ich passen. Aber auf der Fahrt zurück zum Hotel malte ich mir trotzdem eine
Zukunft für die Witwe aus, in der sie auf Clydes Beerdigung einen tollen, netten
Arzt kennenlernte, der eine Schwäche für dünne, hilflose Frauen hat, die in
großen gemütlichen Häusern leben. Er würde ihr helfen, ihr seelisches
Gleichgewicht wiederzufinden. Sie würden niemals Partys feiern.
Danach ging
es mir besser.
18
Durch die
Unterhaltung mit seiner Witwe hatten wir so einiges über den Professor
erfahren, trotzdem wusste ich nicht recht, ob uns das bei unserer Suche nach
seinem Mörder weiterhelfen würde. Nicht, dass es mich groß interessierte, wer
Nunley umgebracht hatte - aber ich musste wissen, wer Tabitha auf dem Gewissen
hatte.
In Texas
stand ein Basketballspiel an, zu dem ich gerne fahren wollte. Und ich wollte
nach einem Haus in Texas Ausschau halten, das nicht zu weit von meinen
Schwestern entfernt war. Deshalb wollte ich mich aus dieser Situation befreien
- den Morgensterns, aber auch mir selbst zuliebe.
Tolliver gab
dem Hotelangestellten, der unseren Wagen parkte, gerade ein Trinkgeld, als ich
durch die Lobby des Cleveland ging. Ich war so in Gedanken, dass ich Fred Hart
erst bemerkte, als er meinen Namen rief.
»Miss Connelly!« Seine laute Südstaatenstimme holte mich zurück ins
Hier und Jetzt, aber besonders begeistert war ich nicht davon. Ich muss ihn
nicht sehr freundlich angesehen haben, denn er blieb abrupt stehen.
»Wollen Sie
mich sprechen?«, fragte ich wenig intelligent, aber irgendwas musste ich ja
sagen.
»Ja, tut mir
leid, dass ich Sie störe«, sagte er. »Joel und Diane haben mich gebeten, Ihnen
etwas von der ›Findet-Tabitha-Stiftung‹ zu übergeben.«
Ich brauchte
einen Moment, bis ich begriff, was er da sagte. Mittlerweile war Tolliver neben
mich getreten und gab Mr Hart die Hand. Da ich so ein
Gespräch nicht mitten in der Lobby führen wollte, schlug ich ihm vor, mit auf
unser Zimmer zu kommen. Er wirkte wenig erfreut, folgte uns aber zum Lift.
Da wir so
dicht nebeneinander standen, merkte ich, dass Mr Hart
seine Kehle mit Bourbon geölt hatte. Ich versuchte,
nicht das Gesicht zu verziehen, als mir der nur allzu bekannte Geruch in die
Nase stieg. Auch Tollivers Züge verkrampften sich. Tollivers Vater war ein
großer Bourbon-Freund gewesen. Daher hassten wir Bourbon.
»Wie ich
hörte, kannte meine Tochter Sie beide schon«, sagte Mr Hart.
Im Spiegel des Lifts sah ich einen Mann, der von Minute zu Minute zu altern
schien. Fred Hart wirkte grau und grimmig.
»Ja«, sagte
ich. »Tolliver ist eine Weile mit ihr ausgegangen.«
Keine
Ahnung, welcher Teufel mich ritt, das zu sagen, aber ich fühlte mich von Fred
Hart provoziert, vor allem von seinem Unwillen, mit hochzukommen.
Weitere Kostenlose Bücher