Harper Connelly 04 - Grabeshauch
sicherstellen, dass wir ausreichend gewarnt waren.
Ich nickte heftig und zitterte vor Angst.
»Ich werde heute Nacht bei ihm bleiben«, sagte ich, und der Arzt, der sich schon halb abgewandt hatte, rang sich einen mitleidigen
Blick ab.
»Da er gerade erst operiert wurde, wird heute Nacht ständig nach ihm gesehen«, sagte der Arzt. »Er wird auch nochnicht aufwachen. Sie sollten lieber nach Hause gehen, duschen und morgen früh wiederkommen. Wenn Sie Ihre Telefonnummer dalassen,
wird man Sie benachrichtigen, falls Probleme auftreten.«
Ich sah an mir herunter. Überall war Blut, getrocknetes Blut. Ich sah … zum Fürchten aus. Jetzt begriff ich auch, warum mich jeder, der vorbeikam, so merkwürdig ansah. Ich roch nach Blut und Angst.
Außerdem brauchte ich unser Auto. Also bat ich Matthew widerwillig, mich zum Motel zu bringen.
Die Polizei hatte inzwischen die Überreste unseres Zimmers angeschaut. Als ich mich in die Lobby schleppte, um mit der Rezeptionistin
zu reden, begrüßte mich die Hotelmanagerin, eine Afroamerikanerin um die fünfzig mit kurzen Haaren und einer sympathischen
Art. Sie wollte mich so schnell wie möglich aus dem Blickfeld bringen, für den Fall, dass neue Gäste kämen. Als wir in dem
kleinen Raum hinter der Rezeption Platz genommen hatten, brachte sie mir einen Kaffee, ohne dass ich sie darum gebeten hatte.
Auf ihrem Namensschild stand
Deneise
.
»Miss Connelly«, sagte sie sehr ernst und sehr aufrichtig. »Wenn Sie einverstanden sind, werde ich Cynthia auf Ihr Zimmer
schicken, damit sie Ihre Kleidung und Ihre Sachen holt.«
Ich fragte mich, was wohl als Nächstes kam. »Gut, Deneise«, sagte ich. »Das wäre sehr nett.«
Sie atmete tief durch und fuhr fort: »Hoffentlich akzeptieren Sie unsere Entschuldigung für diesen furchtbaren Vorfall. Wir
möchten, dass Sie eine möglichst stressfreie Zeit bei uns verleben. Ihnen geht jetzt bestimmt so einiges durch den Kopf.«
Jetzt verstand ich! Deneise hatte Angst, wir könnten das Hotel für die Schießerei belangen, und wollte schon malvorfühlen, wie ich das sah. Gleichzeitig wirkte sie aufrichtig entsetzt, der Vorfall tat ihr unendlich leid.
Nachdem Cynthia in das zerstörte Zimmer geschickt worden war, um zu retten, was von unseren Sachen noch zu retten war, bot
Matthew mir zu meiner großen Erleichterung an, sie zu begleiten. Anschließend sprach Deneise Klartext: »Vielleicht wollen
Sie keine weitere Nacht hierbleiben, Miss Connelly. Aber wenn doch, würden wir uns freuen.«
Das klang schon weniger aufrichtig, was ich der Frau allerdings schlecht vorwerfen konnte.
»Wenn Sie bleiben möchten, stellen wir Ihnen selbstverständlich ein vergleichbares Zimmer kostenlos zur Verfügung. Zum Zeichen,
dass uns diese … Unannehmlichkeiten leidtun.«
Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. »Das ist noch stark untertrieben«, sagte ich. »Ja, ich hätte gern ein Zimmer,
werde aber gleich morgen früh ausziehen. Ich muss etwas finden, das näher am Krankenhaus liegt.«
»Wie geht es Mr Lang?«, fragte Deneise, und ich erzählte ihr, dass er wieder gesund würde.
»Oh, das sind ja gute Neuigkeiten!« Ihr schienen gleich mehrere Steine vom Herzen zu fallen.
Jetzt, wo das mit dem Motel geklärt war, konnte ich es kaum erwarten, auf mein Zimmer zu kommen und mich zu waschen. Die Managerin
rief Cynthia auf dem Handy an und bat sie, unser Gepäck direkt auf Zimmer 203 zu bringen.
»Ich dachte, Sie fühlen sich besser, wenn Sie nicht mehr im Erdgeschoss wohnen«, erklärte sie beim Auflegen.
»Das stimmt«, sagte ich. Ich dachte an das schwarze Loch im Fenster und bekam eine Gänsehaut. Mein Gesicht und meine Schultern
schmerzten, ich war mit verkrusteten Blutspritzern übersät und begann plötzlich zu zittern. Ausgerechnetjetzt, wo ich endlich wieder Zeit für mich hatte. Wo ich glaubte, dass Tolliver wieder gesund würde.
Matthew erschien in der Tür des Büros. »Eure Sachen sind in dem neuen Zimmer, ich glaube nicht, dass etwas fehlt. Alles scheint
noch in deiner Handtasche zu sein.«
Die Vorstellung, dass Matthew in meine Handtasche geschaut hatte, behagte mir gar nicht, aber er hatte mir an diesem Abend
wirklich sehr geholfen, das musste man ihm lassen. Ich bedankte mich bei Deneise für ihre Hilfsbereitschaft und verließ mit
der neuen Schlüsselkarte die Lobby, um mit Matthew zum Lift zu gehen.
»Danke«, sagte ich, während rumpelnd die Tür zu dem Bereich mit den Snackautomaten
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