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Harper Connelly 04 - Grabeshauch

Harper Connelly 04 - Grabeshauch

Titel: Harper Connelly 04 - Grabeshauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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einem Viertel wohnen. Aber
     der zurückgelassene Rucksack sprach eine andere Sprache, nämlich die, dass meine Schwester nicht freiwillig mitgefahren war.
    Schließlich war ich weinend zusammengebrochen und hatte ihnen erklärt, dass ich nach Hause müsse. Dass man meine Schwestern
     meiner Mom nicht anvertrauen könne, was alles nur noch schlimmer gemacht hatte. Ich durfte meine Brüder anrufen, die sofort
     alles stehen und liegen ließen und nach Hause kamen. Dass weder Mark noch Tolliver an Camerons Entführung zweifelten, überzeugte
     die Polizei zusätzlich, dass meine Schwester nicht freiwillig mitgegangen oder absichtlich weggelaufen war.
    Die Polizei zum Wohnwagen zu bringen, wäre auch unter normalen Umständen eine erniedrigende Erfahrung gewesen. Aber inzwischen
     hatte ich solche Angst, dass ich froh war über ihre Anwesenheit. Die Polizisten sahen, dass meine Mutter wieder bewusstlos
     auf dem Sofa lag, und die Mädchen weinten. Sie hatte angefangen, Gracie eine Windel anzulegen, sie aber nicht mehr
zugemacht. Mariella versuchte, ein Stückchen Banane für Gracie zu zerdrücken, die erst seit Kurzem feste Nahrung zu sich nahm.
     Sie stand auf einem Stuhl, um die Arbeitsfläche zu erreichen. Die Küche war sauber, soweit sie das in einem alten, maroden
     Wohnwagen überhaupt sein konnte. Aber natürlich war es dort sehr beengt, und unsere vielen Sachen riefen den Eindruck einer
     totalen Unordnung hervor.
    »Sieht es hier immer so aus?«, fragte der jüngere Polizist, während er sich umsah.
    »Sei ruhig, Ken!«, sagte sein Partner.
    »Cameron und ich tun, was wir können«, erwiderte ich und fing erneut an, zu weinen. Meine Verbitterung machte sich in einem
     erklärenden Wortschwall Luft. Ein Teil von mir hatte längst begriffen, dass unser bisheriges Leben vorbei war, also brauchte
     ich auch niemandem mehr etwas vorzumachen.
    Während ich weinte und redete, wickelte ich Gracie und machte Mariella ein Sandwich mit Erdnussbutter. Ich zerdrückte die
     Banane für Gracie, vermischte sie mit etwas Babynahrung und gab alles in eine Schale. Ich holte ihr einen kleinen Löffel aus
     dem Abtropfgestell. Meine Mutter rührte sich nicht. Nur einmal tastete ihre Hand nach der Stelle, an der Gracie gelegen hatte,
     und fuchtelte suchend herum. Ich setzte Gracie in ihren Kinderstuhl und fing an, sie zu füttern, wobei ich Pausen machte,
     um mir die Tränen abzuwischen.
    »Sie kümmern sich um Ihre Schwestern«, sagte der ältere Polizist freundlich.
    »Meine Brüder verdienen genug, dass wir sie zu einer Tagesmutter bringen können, während wir in der Schule sind«, sagte ich.
     »Wir haben uns wirklich bemüht.«
    »Das sehe ich«, sagte er. Der jüngere Polizist wandte sein Gesicht ab. Seine Lippen waren nur noch ein schmaler Strich, und
     seine Augen funkelten wütend. »Wo ist dein Daddy?«, fragte er nach einer Minute.
    »Mein Stiefvater«, verbesserte ich ihn automatisch. »Ich habe keine Ahnung.«
    Als Matthew nach Hause kam, gab er sich erstaunt, dass die Polizei da war. Entsetzt, dass Cameron verschwunden war. Und bestürzt,
     dass seine Frau trotz des Tumults nichts davon mitbekommen hatte.
    So etwas wäre noch nie passiert, behauptete er vor den Cops. Inzwischen war Verstärkung eingetroffen. Ein Cop, der Matthew
     schon einmal verhaftet hatte, schnaubte verächtlich, nachdem dieser seine Vorstellung beendet hatte.
    »Klar, Kumpel«, sagte der Officer. »Und wo warst du heute Nachmittag?«
    Nachdem meine Mutter ins Krankenhaus gebracht worden war, saßen Tolliver und ich auf dem Sofa. Mark lief nervös auf und ab,
     soweit das in einem Wohnwagen überhaupt möglich ist. Eine Sozialarbeiterin war gekommen, um unsere Schwestern mitzunehmen.
     Matthew war festgenommen worden, weil er ein paar Joints in seinem Auto liegen hatte. Aber die Drogen waren nur ein Vorwand:
     Nachdem sie den Wohnwagen gesehen und mit mir geredet hatten, wollten sie ihn bloß noch verhaften. Mark und Tolliver hatten
     alles bestätigt: Mark sehr widerwillig, Tolliver ganz sachlich, was viel über unser Leben aussagte. Aber als die Polizei weg
     war, traf ich Mark weinend vor dem Wohnwagen an. Er saß im Gartenstuhl vor den Stufen zum Wohnwagen und hatte die Hände vors
     Gesicht geschlagen.
    »Wir haben uns so bemüht, zusammenzubleiben«, sagte er, als müsste er seine Verfassung erklären.
    »Damit ist es jetzt ein für allemal vorbei«, sagte ich. »Jetzt, wo Cameron entführt wurde. Wir können nichts mehr

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