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Harpyien-Träume

Titel: Harpyien-Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
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holte ein Paar schwere Handschuhe hervor. Die zog er an und versuchte es ein weiteres Mal, und diesmal schaffte er es tatsächlich, die heiße Schlinge festzuhalten.
    Ungefähr auf der Hälfte der Strecke, wo die Furche im Gestein am schmalsten war, mußte er sich ziemlich kräftig festhalten, doch Gloha verstärkte ihre Ankerwurzeln und hielt das Gewicht. En d lich war Trent auf der anderen Seite angekommen.
    »Danke, Gloha«, sagte er. »Jetzt verwandle ich dich wieder z u rück. Aber zuerst müssen wir dich wieder vollständig beisammen haben, sonst bleiben am Ende noch Teile von dir an der Wand kleben.«
    Die Logik leuchtete Gloha ein. Cynthia flog zurück und pflückte die gesamte Schlingpflanze vorsichtig aus dem Fels, während Gl o ha Stück um Stück losließ. Cynthia schlang sie zu einem Bündel zusammen und flog langsam zurück.
    Schließlich war sie wieder sie selbst, komplett mit Bluse und Rock. Sie zuckte zusammen bei dem Gedanken, daß sie eine Flammenschlinge hätte bleiben können – es war doch offensich t lich viel besser, ein geflügelter Kobold zu sein.
    Und doch konnte sie nun die unterschiedliche Sichtweise einer Pflanze besser verstehen. Jede Lebensform betrachtete sich als unglaublich großartig und mißtraute allen anderen. Vielleicht sollte sie sich diese Lektion zu Herzen nehmen, sofern sie nicht von anderen, wichtigeren Dingen abgelenkt wurde.
    Sie gingen weiter und folgten dem abschüssigen Gang. Der schien es nicht allzu eilig zu haben, an die Oberfläche zu führen. Nun gelangten sie in ein Gebiet von spitzen, säulenähnlichen Di n gern, die in der Höhle hausten.
    »Stalagmiten und Stalaktiten«, sagte Trent. »Junge, die sind aber dick – und schaut nur, wohin der Pfad führt!«
    »Wie hältst du die nur auseinander?« wollte Cynthia von ihm wi s sen. »Ich meine, wie unterscheidest du die Dinge, die sich an der Decke festhalten, von denen, die vom Boden aus in die Höhe wachsen?«
    Der Magier lachte. »Das ist ganz einfach! Die Dinger, die von der Decke herunterhängen, haben ein T im Namen, daran kann man sich das merken. Ich weiß allerdings nicht, wofür das M in Stala g miten steht.«
    Da erschien wieder die Rauchkugel. »Für Müdmann?« fragte sie. Er schlug mit der Hand hindurch, worauf die Kugel sich auflöste und einen üblen Geruch zurückließ. Offenbar hatte die Dämonin noch nicht gänzlich das Interesse an ihnen verloren, und natürlich fand sie wieder nicht das passende Wort.
    »Müllberg«, schlug Cynthia vor.
    »Ist doch egal«, sagte Gloha und versuchte, zornig dreinzubl i cken. Aber die Wirkung war dahin, als sie beide kichern mußten.
    Doch sie standen nun vor drängenden Problemen. Die Stalagm i ten und -titen hingen so eng beieinander, daß es schier unmöglich war, sich zwischen ihnen hindurchzuquetschen. Der Pilzpfad füh r te über die Spitzen, berührte die nach oben zeigenden ebenso wie die nach unten weisenden. Dazwischen war zwar genug Platz für die fliegenden Mädchen, doch Trent hatte wieder mal Pech.
    »So langsam frage ich mich, was eigentlich für ein Vorteil darin liegen soll, ein Mensch zu sein«, bemerkte er.
    »Das Problem besteht nicht im Menschsein, sondern darin, keine Flügel zu haben. Hättest du welche, dann wäre alles in Ordnung«, sagte Cynthia.
    »Danke«, erwiderte Trent. Ihr wurde klar, daß man ihre Festste l lung auf verschiedene Weise verstehen konnte, und Cynthia spü r te, wie sie erneut errötete.
    »Vielleicht kann ich dir ja einen Weg bahnen«, schlug sie vor. Sie baute sich mit dem Rücken vor der Mauer aus Stalagmiten auf und verpaßte ihnen einen gutgezielten Tritt. Die Nächststehenden br a chen ab und stürzten krachend zwischen die anderen.
    Doch fast im selben Augenblick hagelte es plötzlich speerförm i ge Stalaktiten von oben herab. Die drei sterblichen Kreaturen konnten gerade noch rechtzeitig zurückweichen, um nicht aufg e spießt zu werden.
    »Ich glaube, diesen Weg werden wir nie schaffen«, sagte Trent.
    »Vielleicht finden wir ja einen anderen«, meldete sich Gloha zu Wort. Sie hob ab und flog zwischen den nadelgleichen Spitzen der Stalaga und der Stalagems (oder wie auch immer) dahin, wobei sie sorgfältig darauf achtete, sie nicht zu berühren. Doch alles, was sie entdeckte, war ein Durchgang, der zu einem mittelgroßen Fluß führte, der wiederum fröhlich seinen Geschäften nachging. Einen anderen Ausgang gab es nicht – der Weg führte den Fluß entlang.
    Sie kehrte zurück und machte Meldung.

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