Harris, Charlaine - Aurora Teagarden 3 - Drei Zimmer, Leiche, Bad
Vögelchen“, meinte Lizanne lakonisch, ehe sie zum Arbeitsplatz ihrer eigenen Schönheitsberaterin wanderte, wo sie sich die Lockenwickler aus dem Haar drehte, um sie in ein Körbchen auf Rädern zu werfen. Janie trank erst einmal in Ruhe ihren Kaffee, ehe sie dazukam und half. Lizannes Gelassenheit neigte dazu, auf ihre Umgebung abzufärben. Ich musste an Bubba Sewell denken, der ja auch die langsame, leicht träge Art des Südstaatlerjungen aus gutem Hause kultivierte, die in seinem Fall jedoch mit einem messerscharfen Verstand Hand in Hand ging. Die beiden würden ein spannendes Paar abgeben. Das alles ging in meinem Hinterkopf vor sich, denn eigentlich versuchte ich immer noch herauszufinden, was Lizanne eben gemeint haben könnte.
Wir hatten von Martin geredet. Dann hatte sie eine Verhaftung prophezeit. Aber sie wollte doch wohl auf keinen Fall andeuten, dass die Polizei Martin verdächtigte?
Doch! Genau das hatte sie mich gerade wissen lassen: Die Polizei würde Martin verhaften. Auf jeden Fall wollte man ihn zum Verhör aufs Revier bringen.
Ich starrte in den Spiegel. Auf meinen Wangen hatten sich zwei hektische, tiefrote Flecken gebildet. Meine Hände umklammerten mit unangemessener Kraft die gepolsterten Armlehnen des Drehstuhls, in dem ich saß.
„Ist Ihnen kalt, Schatz?“, erkundigte ‚sich Benita. „Ich drehe gern die Heizung hoch.“
„Was? Nein, danke, alles in Ordnung.“
Lächerlich. Genau, das war es: lächerlich.
Die Polizei hatte sich schon mal geirrt, jetzt irrte sie sich wieder, so einfach war das. Natürlich! Langsam wurde ich ärgerlich. Die Diebstähle! Die hatten doch angefangen, lange bevor Martin nach Lawrenceton zog.
Die Morde waren natürlich erst hinterher passiert.
Ich erinnerte mich, wie meine Mutter sich gefragt hatte, was um alles in der Welt Martin mit so einem großen Haus anfangen wollte. Ein lediger Mann suchte logischerweise doch nach etwas Kleinerem, jedenfalls nicht nach einem veritablen Anwesen, wie es das Andertonhaus war. Vielleicht glaubte die Polizei, er hätte dort mit Mutter einen Termin zur Hausbesichtigung vereinbart, damit das Werk seiner Hände auch bestimmt gefunden wurde. Martin war schon ein paar Wochen in der Stadt gewesen, als ich ihn traf, lange genug, um Tonia Lee und Idella kennengelernt zu haben. Tonia Lee, die mit ungefähr jedem ins Bett stieg, hätte sich nach Martin bestimmt alle zehn Finger geleckt. Die ängstliche, auf blasse Art recht hübsche Idella, einsam, wie sie war, wäre ganz aus dem Häuschen geraten, hätte jemand wie Martin ihr stürmische Aufmerksamkeit geschenkt. Sie hätte sich ungeheuer geschmeichelt gefühlt.
So jedenfalls könnte die Polizei argumentieren …
Ich schloss die Augen.
„Alles in Ordnung?“, fragte Benita besorgt.
„Alles prima“, log ich automatisch. „Sind wir fertig?“
„Beinahe. Gefällt es Ihnen?“
„Es ist anders.“ Hastig schreckte ich aus meiner privaten, düsteren Wolke auf. „Himmel, ich sehe ja gar nicht mehr aus wie ich!“
„Ich weiß“, sagte Benita stolz. „Sie sind sehr elegant und stilvoll geworden, einfach wunderschön.“
„Himmel“, wiederholte ich langsam. „Sie haben ja recht!“
„Jetzt müssen Sie nur noch nach Hause fahren, Ihr Kleid anziehen, Lippenstift auftragen, und fertig sind Sie!“
Lippenstift war wirklich fällig – und Haltung, befand ich finster. Diese dunklen Gedanken durften mich auf keinen Fall ganz in Beschlag nehmen. Ich kannte Martin. Auf einer bestimmten Ebene kannte ich ihn wie meine eigene Westentasche.
Dachte ich zumindest.
Ich entlohnte Benita großzügig und fuhr nach Hause, um in mein grünes, fließendes Kleid zu schlüpfen und anständig Lippenstift aufzutragen. „Amüsier dich“, befahl ich mir streng. Ich wollte mit einem attraktiven, sexy Mann ausgehen, der meine Anwesenheit in seinem Leben als absolute Notwendigkeit erachtete. Gut, in der vergangenen Nacht hatte er Sam Ulrich umbringen wollen, aber Tonia Lee und Idella hatte er auf gar keinen Fall getötet. Auf gar keinen Fall.
Nur gut, dass der Aufruhr in meinem Innern sich nicht auf meine äußere Erscheinung auswirkte: Ein Blick in den Badezimmerspiegel, um mir den bronzefarbenen Lippenstift aufzutragen, bewies, dass ich immer noch so mondän wirkte wie im Schönheitssalon.
Fast wünschte ich, ich hätte mir die Nägel lackiert, aber das war etwas, was ich nie tat. Auch so erkannte ich mich mit dem hochgesteckten Haar kaum wieder.
Statt herumzutigern oder mir
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